10/03/2012: Arbeitsmarktberichterstattung erfasst pluralisierte Beschäftigungsentwicklung nicht differenziert genug

In einem Kurzbeitrag für die Zeitschrift Wirtschaftsdienst wirft der Sozialwissenschaftler Christian Wingerter einen Blick auf die Entwicklung atypischer Beschäftigung in den letzten Jahren und hält angesichts der Pluralisierung von Erwerbsformen eine differenziertere Betrachtung der Beschäftigungsentwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt für nötig.

Dass atypische Beschäftigungsverhältnisse sich seit mindestens 15 Jahren auf dem Vormarsch befinden, belegt Wingerter anhand von Zahlen aus dem Mikrozensus: Danach ist die Zahl der atypisch Beschäftigten von 4,86 Mio. in 1996 auf 7,84 Mio. Personen im Jahr 2010 gestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg auch ihr Anteil an allen Erwerbstätigen von 14,7 auf 22,4 Prozent. Zwar hat das Krisenjahr 2009 die Zahl der atypisch Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 130.000 Personen sinken lassen, in Relation zur Gesamtzahl der Erwerbstätigen ist der Rückgang aber mit weniger als 0,5 Prozent kaum von Bedeutung gewesen. Zudem wurde die rückläufige Entwicklung mit einer Zunahme um 240.000 von 2009 auf 2010 mehr als ausgeglichen.

Erstmals seit 1996 ist zwischen 2008 und 2010 allerdings die Zahl der regulär (in einem Normalarbeitsverhältnis) Beschäftigten stärker gestiegen als die Zahl der atypisch Beschäftigten. Wingerter sieht darin eine „Veränderung im Trend“, so dass es seiner Ansicht nach verfrüht sei, von einem Ende der Normalarbeit zu reden.

Dennoch hält Wingerter eine differenziertere Betrachtung der Beschäftigungsentwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt für wichtig, da die Arbeitsverhältnisse sich vielfältiger gestalten und atypische Beschäftigung ein fester Bestandteil geworden ist. Dazu ist eine Erweiterung der Arbeitsmarktberichterstattung über die klassischen Kennzahlen hinaus nötig, denn einige Entwicklungen am Arbeitsmarkt haben Wingerter zufolge noch keinen Eingang in die amtliche Arbeitsmarktberichterstattung gefunden. Als Beispiel verweist er auf den Bereich der Selbstständigkeit, wo insbesondere im Übergangsbereich zur abhängigen Beschäftigung eine differenziertere Betrachtung zu überlegen sei, um beispielsweise Selbstständige, die Dienstleistungen nur für einen einzigen Auftraggeber erbringen und oft als Schein-Selbstständige bezeichnet werden, ausweisen zu können.

Quelle: Wingerter, C. (2012): Atypische Beschäftigung: Arbeitsmarkt im Wandel. In Wirtschaftsdienst, 92. Jg., H. 3, S. 208-210.