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Ethnologie (B.A.)

Gegenstand/Inhalte/Zielsetzungen
(1) Ziel des Bachelor-Studiengangs Ethnologie ist die Vermittlung der für den Übergang in die Berufspraxis notwendigen gründlichen Fachkenntnisse und der Fähigkeit, die zentralen Zusammenhänge des Fachs zu überblicken und grundlegende wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse anzuwenden.

(2) Das Studium vermittelt fachliche Kompetenzen in der Anwendung einer holistischen, verstehenden Perspektive auf aktuelle Probleme mit gesellschaftspolitischer Relevanz insbesondere in den Schwerpunktregionen Indopazifik und Afrika, in Fragen der kulturellen Diversität, Differenz und Identität sowie in der Anwendung der wichtigsten ethnologischen Methoden. Diese Kompetenzen bilden die Grundlage für eine forschungszentrierte Weiterqualifizierung im Master- und Promotions-Studiengang bzw. für den Einstieg in verschiedene Berufsfelder (Tätigkeiten in internationalen Organisationen, in der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, im Kulturmanagement, in der Kulturmediation, in Museen und Medien).

(3) Das Bachelorstudium vermittelt über die fachlichen Kenntnisse hinaus Schlüsselkompetenzen für einen erfolgreichen Berufseinstieg (anwendungsorientiertes Profil) oder für die Aufnahme eines Masterstudiums (wissenschaftsorientiertes Profil).


Warum Ethnologie in Göttingen studieren
Die Göttinger Ethnologie verfolgt in ihren Schwerpunktregionen Indopazifik und Afrika gegenwartsbezogene, problemorientierte und komparative Forschungen zu Fragen des kulturell geprägten Zusammenlebens unter den Bedingungen und Wirkungen weltweiter Verflechtungen. Besonders hervorzuheben sind die auf diesen Gesamtkomplex hin orientierten regionalspezifisch formulierten Forschungsprojekte zu den Themen Kulturökologie, Gender, Ethnizität/Migration, Kulturpolitik sowie zum Zusammenhang von Raum und Kultur. Die Göttinger Ethnologie ist aus Forschungen im Umfeld von Entdeckungsreisen im 18. Jahrhundert hervor gegangen. Der Erwerb der Cook/Forster-Sammlung durch das „Academische Museum“ begründete die Schwerpunktregion Indopazifik. Heute ist Göttingen eines von nur zwei Instituten innerhalb des ganzen deutschsprachigen Raums, an welchem eine Ethnologie Ozeaniens in Lehre und Forschung vertreten ist. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Afrika als zweiter regionaler Schwerpunkt systematisch ausgebaut. Für die Ausbildung der Studierenden ermöglicht das Angebot von systematischen Regionalveranstaltungen zum Indopazifik und zu Afrika eine vergleichende Perspektive hinsichtlich kultureller Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie des kulturellen Umgangs mit ökologischen, sozialen, ökonomischen, politischen und religiösen Problemstellungen. Die heutigen Forschungen tragen den ökologischen, (kolonial)geschichtlichen und kulturellen Besonderheiten dieser beiden Regionen Rechnung.

Als Disziplin mit holistischem Anspruch besteht die Stärke der Ethnologie darin, dass sie verschiedene, ausgewiesene Kompetenz voraussetzende Einzelperspektiven zu Gesamtbetrachtungen zusammenführen kann. Diese Einzelperspektiven sind in international relevante Forschungsfragen eingebettet; gleichzeitig stehen diese in einer Wechselbeziehung mit sich ständig wandelnden gesellschaftspolitischen Bedingungen vor allem in den Schwerpunktregionen und müssen deshalb immer wieder modifiziert werden. Der komplexe Gesamtzusammenhang des kulturell geprägten Zusammenlebens unter den Bedingungen und Wirkungen globaler Verflechtungen wird ethnographisch beschreibend und kulturell vergleichend aus Einzelperspektiven, die aus folgenden Facetten bestehen, untersucht: Weltweite Migrationen und die damit verbundenen Fragen nach dem Verhältnis von Kultur, Gesellschaft, Raum und Umwelt, der kulturellen Selbstbehauptung und Abgrenzung in individueller und kollektiver Form (geschlechtliche und ethnische Identitäten); Fragen der Integration in Staatsgebilde und andere auch staatenübergreifende Netzwerke oder Verbände; Zusammentreffen/Überlappung verschiedener Werte- bzw. Orientierungs- und Wissenssysteme auf der Ebene von individuellen und kollektiven Akteuren sowie der daraus resultierenden Konflikte bzw. das Aushandeln unterschiedlicher modi vivendi oder die Hervorbringungen gemeinsamer neuer gesellschaftlich-kultureller Formen. Alle diese Aspekte hängen aufs engste miteinander zusammen und bilden die Grundlage für eine holistische Betrachtungsweise.

Wie das Forschungsprogramm zeigt, verbinden sich die Forschungsinteressen der Göttinger Ethnologie problemlos mit dem Forschungsschwerpunkt der Sozialwissenschaftlichen Fakultät „Institutioneller Wandel in komparativer Perspektive“. Die Ethnologie hat in methodischen Grundsatzfragen enge Verbindungen zu den eben skizzierten Forschungsperspektiven. Innerhalb dieser Disziplin existiert seit einigen Jahrzehnten eine Grundsatzdebatte über die Bedeutung komparativer Methoden. Weil gerade unter Bedingungen des Kulturtransfers und der Globalisierung von der Existenz unabhängiger Untersuchungseinheiten kaum mehr auszugehen ist, hat sich innerhalb der Ethnologie vor allem in neueren Richtungen (etwa im Postmodernismus und Postkolonialismus) eine gewisse Skepsis gegenüber der Methode des Vergleichs eingestellt: Gefordert wird daher die Entwicklung alternativer methodischer Grundlagen. Gerade der Dialog mit der Soziologie und der Politikwissenschaft im institutionentheoretischen Forschungsschwerpunkt ist für diese Debatte erfolgversprechend.

Die vier Professuren der Ethnologie mit den regionalen Schwerpunkten Südostasien/Ozeanien und Ost-/ Westafrika bieten – aufgrund der in diesen Regionen bestehenden verschiedenen kulturellen Voraussetzungen und der historisch unterschiedlich verlaufenen Kolonisierungs-/Dekolonisierungsprozesse – ausgezeichnete Anknüpfungspunkte an den komparativ angelegten Forschungsschwerpunkt. Sie ermöglichen es, das Zusammenspiel von Institutionen und ihre Koordination, ggf. ihre Widersprüchlichkeit oder gar Entkoppelung, in unterschiedlichem gesellschaftlichen und kulturellem settings zu erforschen. National und Nationalstaat sind soziopolitische Organisationsformen, die von Europa aus weltweit exportiert wurden. Sie haben überall mit bereits bestehenden strukturell äquivalenten indigenen Organisationsprinzipien interagiert. Wie erst in jüngster Zeit deutlich wurde, hat dies keineswegs, verstärkt durch verschiedener Formen nationaler und transnationaler Migration und zunehmender Ethnisierungsbewegungen, zu einem homogenisierten und koordinierten Institutionengefüge geführt, dessen Legitimität unumstritten ist. Dies bedeutet: die pfadhängige Entwicklung, welche die Errichtung von Nationalstaaten mit ihren Institutionen einleitete, hat einen sozialen Wandel induziert, der auf einer sub-nationalen Ebene auch zu Innovationen neuer und Revitalisierungen schon bestehender Institutionen, wie (neo-)feudale Verhältnisse, charismatische oder theokratische Herrschaftsbeziehungen, Clanstrukturen und klientelistische Netzwerke, geführt.


Sprachanforderungen, die während des Studiums zu erfüllen sind: Wahlpflicht-Sprachkurs in einer außereuropäischen Sprache


Aufbau des Studiums
(1) Das Studium umfasst eine Gesamtleistung von 180 Anrechnungspunkten (entsprechend den Regelungen des European Credit Transfer System, ECTS-Credits; abgekürzt: C). Im Fach Ethnologie sind mindestens 90 C zu erbringen. Das Studium der Ethnologie schließt mit der Bachelorarbeit (12 C) in der Regel im sechsten Semester ab.

(2) Neben fachwissenschaftlichen Qualifikationen in Modulen der Ethnologie und Modulen der Methodenausbildung sind Module eines weiteren Faches bzw. Wirtschafts- und Rechtswissenschaften kombiniert im Umfang von mindestens 42 C zu studieren.

(3) Die Module im Bereich der Schlüsselqualifikationen sind im Umfang von 36 C zu studieren.

In den ersten Semestern werden die grundlegenden methodischen und inhaltlichen Kenntnisse in der Ethnologie vermittelt, danach werden vertiefende Kenntnisse in ethnologischen Teilbereichen vermittelt und die Studienschwerpunkte des Instituts systematisch erschlossen. Für Studierende im Bachelor-Studiengang ist die weitgehende Wahlfreiheit, wie sie in den zur Zeit existenten Studiengängen vorherrscht, zugunsten einer stärkeren Hinführung auf die allgemeinen Fragestellungen der Ethnologie und die Forschungsschwerpunkte des Instituts für Ethnologie eingeschränkt.

Der Studiengang ist modularisiert und gliedert sich in Orientierungs-, Pflicht-, Wahlpflicht- und Wahlmodule. Orientierungsmodule sind besonders ausgezeichnete Pflichtmodule, anhand derer sich Studieneignung und Studienneigung besonders gut erkennen lassen. Sie werden im ersten Studienjahr, in der Regel im ersten Semester angeboten. Für die Ethnologie ist es das Modul „Grundbegriffe&Fragestellungen“. Weitere Pflichtmodule im Bachelor-Studiengang Ethnologie sind die Module „Ausgewählte Sachgebiete“, „Ethnologische Methoden“, „Regionale Ethnologie I+II“, „Methodik I+II+III“, „Sachthematische Vertiefung I+II“ sowie das „Kolloquium“ zur Vorbereitung der Bachelor-Arbeit.

Schon das Modul „Methodik II“ bietet aber eine gewisse Wahlmöglichkeit, da hier die Studierenden zwischen den Bereichen „Feldforschung“, „Angewandte Ethnologie“ und „Objekt – Kultur – Identität“ wählen können, die in dem Wahlpflichtmodul „Methodik III“ weiterverfolgt werden. Dieses Modul beinhaltet als Lernziel den Erwerb einer außereuropäischen Sprache, zentraler Bestandteil ist auch ein Praktikum, über den ein Bericht verfasst werden muss. Die genannten Pflicht- und Wahlpflichtmodule werden durch die Wahlmodule „Ausgewählte Gegenstandbereiche I+II“ und durch frei wählbare Module aus dem Optionalbereich für Schlüsselkompetenzen sowie durch Module aus anderen Fächern ergänzt.

Die Kombination des Faches Ethnologie mit einem Modulpaket aus der Soziologie ist sinnvoll, da ein Schwerpunkt der kultursoziologischen Abteilung der Soziologie Fragen der Immigration und die Auseinandersetzung mit dem ‚Fremden/Anderen’ darstellt. Da der Methodenbereich des Modulpakets der Soziologie durch die Veranstaltungen in der Ethnologie schon abgedeckt ist, können in der Soziologie zusätzliche Module belegt werden.

Als Optionalmodul ist bei dieser Kombination ein Englisch-Sprachkurs zu empfehlen, da ein Großteil der ethnologischen Literatur englischsprachig ist. In diesem Modell wird das wissenschaftsorientierte Profil bereits durch die entsprechenden Wahlpflichtmodule im Kernfach (Modul 11 „Feldforschung“ oder Modul 13 „Objekt-Kultur-Identität“) begründet. Im Optionalbereich wird dieses Profil durch den Ausbau der Methoden-, Sprach- und Kommunikationskompetenz geschärft. Darüber hinaus kann durch die Belegung weiterer Seminare die Fachkompetenz erweitert werden. Beispielhaft ist hier die Belegung eines weiteren Moduls „Ausgewählte Gegenstandsbereiche“ angeführt, es kann aber problemlos durch die Belegung eines zusätzlichen Regionalseminars die spezifische Regionalkompetenz ausgebaut werden.