Panelbeschreibungen


PANEL 1
Inter-/Trans-/Postdisziplinarität in der Geschlechterforschung - aktuelle Chancen und Zwänge

Eine dezidierte Wissenschafts- und Disziplinenkritik ist der Frauen- und Geschlechterforschung von ihren Anfängen an eingeschrieben und untrennbar mit ihrem gesellschafts- und herrschaftskritischen Anspruch verbunden. Die Entwicklung von Wissenspraxen quer zu etablierten fachlichen Trennlinien (und auch über die Grenzen der Akademie hinweg) hat damit ebenso Tradition wie die - auch kritische - Reflexion solcher Praxen als Inter-, Trans- und/oder Postdisziplinarität. Im Panel soll diese Diskussion vorwiegend auf die Chancen, Zwänge und Herausforderungen bezogen werden, die sich der Geschlechterforschung in ihren unterschiedlichen institutionellen Verfasstheiten gegenwärtig stellen: Wo, wie, unter welchen Bedingungen "gelingen" inter-, trans- und/oder postdisziplinäre Wissenspraxen? Lassen sich auch Sollbruchstellen und (epistemische, institutionelle und andere) Grenzziehungen identifizieren, an denen sie regelmäßig ins Stocken geraten oder scheitern? Wo gerät Interdisziplinarität - als vermeintlicher Nachweis von Innovation und Exzellenz - gegenwärtig auch zu einer Anforderung im Wissenschaftssystem, die kritischem Denken zuwider laufen kann? Lässt sich gleichzeitig zu solchen Anforderungen eine Re-Disziplinierung akademischen Wissens beobachten? Und wenn ja, welche Herausforderungen sind damit verbunden?

PANEL 2
Kanonisierungen und Mythen in den Gender Studies

Die feministische Wissenschaftskritik beinhaltet eine grundlegende Kanonkritik, die darauf beruht, dass nur bestimmte, in der Regel westliche Weiße Männer in den jeweiligen Kanon der akademischen Disziplinen aufgenommen wurden. Frauen und Mitglieder anderer sozial marginalisierter Gruppen werden nach wie vor tendenziell aus dem jeweiligen Kanon herausgeschrieben und in nur sehr begrenzter Anzahl aufgenommen. Diese Erkenntnis der Begrenztheit jedweden Kanons hatte auch für die Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung Konsequenzen: Es sollte keinen Kanon geben, um eben jenen Machtmechanismen entgegenzuwirken, die die Ausschlüsse hervorbringen und verfestigen. Die Abwesenheit eines formalen Kanons der feministischen Studien, Frauen- und Geschlechterforschung und der Gender Studies ist jedoch nicht unproblematisch. Zum einen kann längst davon gesprochen werden, dass es einen informellen Kanon gibt. Zum anderen bedeutet ein Kanon positiv gewendet auch die Gedächtnispflege eines Forschungsgebiets. Eben diese Pflege des Gedächtnisses wird unterlaufen, wenn nicht darüber diskutiert wird, was in einen Kanon gehört und was nicht. Stattdessen werden Mythen über die Geschichte der Frauen- und Geschlechterforschung produziert, die ohne die Kenntnis früherer Werke nicht überprüfbar sind. Positiv gewendet können Mythen zwar auf unterschiedliche Weise identitätsstiftend wirken. Je nach dem, von wem, in welchem Kontext und zu welchem Zweck sie gebildet werden, tragen sie ggf. jedoch auch dazu bei, komplexe Vielstimmigkeiten und Gleichzeitigkeiten einzuebnen bzw. zu überblenden. Dazu gehören etwa teleologische Mythenbildungen, die eine historische Entwicklung feministischer Forschung als Entwicklung hin zu immer mehr Komplexität erzählen. Die inhärente Behauptung, dass die frühe feministische Forschung nicht ausreichend komplex gewesen sei, übersieht jedoch, dass es schon immer sehr divergierende Perspektiven und Ausdeutungen des Feminismus gegeben hat und auch marginalisierte Stimmen seit Beginn an Bestandteil "des" feministischen Diskurses gewesen sind. Ein anderes Beispiel wäre der Mythos, dass die Gender Studies heute im Wesentlichen unpolitisch seien. Demnach verhindern unterschiedliche Arten von Mythenbildung wie fortschrittsgläubige oder vergangenheitsorientierte Interpretationen tendenziell den Blick dafür, dass sowohl die Geschichte als auch die Jetztzeit als Diskussion und/oder Koinzidenz verschiedener Strömungen zu interpretieren ist.

PANEL 3
Macht, Differenzen und situiertes Wissen: Herausforderungen der Geschlechterforschung

Die Gender Studies gelten als interdisziplinäres Wissensfeld, das hegemoniale, universalistische und androzentrische Wissensproduktionen um Geschlecht analysiert, hinterfragt und herausfordert. Dazu gehört die Ausgangsperspektive, dass Wissen kulturell, sozial und politisch spezifisch situiert ist und nicht gänzlich unabhängig von der sozialen Verortung der Wissensproduzent_innen begriffen werden kann. Längst ist eine einseitige Fokussierung auf die Kategorie Geschlecht dabei der Einsicht gewichen, dass Geschlechterverhältnisse nur im Kontext multipler Machtverhältnisse verstanden werden können. Diese Einsicht ist in erster Linie ein Resultat innerfeministischer Kritiken (an) der westlichen Frauenbewegung, wie sie in den letzten 40 Jahren u.a. innerhalb des Schwarzen Feminismus, der Schwulen-, Lesben-, Trans-, Migrant/innen- und Behindertenbewegung formuliert wurden. Damit zusammenhängende Verkomplizierungen des Verhältnisses von Macht und Differenz innerhalb westlich-feministischer Politik und Theoriebildung schlagen sich innerhalb der Gender Studies u.a. im Paradigma der Intersektionalität, im Zusammendenken von Postkolonialer Theorie und Queer Theory und in Form hegemonie(selbst-)kritischer Theoriefelder wie den Critical Masculinity Studies, den Critical Whiteness Studies und/oder dem Kritischen Okzidentalismus nieder. Sie drücken sich aber auch in dem komplexen Verhältnis zwischen Theorie und den verschiedenen sozialen Bewegungen sowie Praxisfeldern der Geschlechterforschung aus.

Das Panel 3 widmet sich vor diesem Hintergrund den Herausforderungen für die Gender Studies, die mit der gestiegenen Einsicht in komplexe und immer neu auszuhandelnde Positionalitäten und Differenzen einhergehen und mit unterschiedlichen Effekten von sich überlagernden Machtverhältnissen zusammenhängen. Dabei soll das gegenwärtige Ringen um Differenziertheiten, Repräsentationen, Sprecher_innenpositionen und adäquate Wissenspraxen thematisiert und ausgelotet werden: Wie können die Gender Studies als Theorie und konkrete Wissenspraxis aussehen, die diesen mehrfachen (Wissens-)Situierungen, sozial-politischen Differenzierungen und Vermachtungen "gerecht" wird? Welche methodologischen, praxisorientierten und hochschulpolitischen Wege/Strategien wurden bisher entwickelt? Welche Probleme und Chancen tun sich gegenwärtig auf?

PANEL 4
Zukunft der Geschlechterforschung in Niedersachsen und darüber hinaus

Diskussionsrunde mit Prof. Dr. Ulrike Beisiegel (Göttingen), Dr. Barbara Hartung (Hannover), Prof. Dr. Sabine Hess (Göttingen). Prof. Dr. Doris Lemmermöhle (Göttingen) und Prof. Dr. Silke Wenk (Oldenburg)
Moderation: Prof. Dr. Barbara Schaff