Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tat sich innerhalb der Philosophischen Fakultät ein zunehmender Spalt zwischen den geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächern auf. Dennoch hielten viele Göttinger Professoren lange Zeit an der Einheit der Philosophischen Fakultät fest. Zu ihnen gehörte auch der Mathematiker Felix Klein, der von der Wichtigkeit interdisziplinärer wissenschaftlicher Arbeit überzeugt war. Tatsächlich entwickelten sich die verschiedenen Disziplinen der Philosophischen Fakultät in ihren Ansätzen und Methoden rasch auseinander, so dass der Zusammenschluss in einer Fakultät Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch formeller Natur war, der zudem beispielsweise bei der Frage der Zulassung von Frauen zum Studium zu erheblichen Friktionen führte.

Im Sommersemester des Jahres 1922, viel später als an anderen deutschen Universitäten, wurden die Naturwissenschaften in Göttingen – Mathematik, Physik, Biologie, Agrar- und Geowissenschaften, Chemie – in einer eigenen Fakultät zusammengefasst. Zu den wegweisenden Personalentscheidungen der jungen Fakultät gehörten die Verpflichtungen von beispielsweise James Franck, Max Born, Werner Heisenberg und Robert Oppenheimer, die Göttingen zu einem weltweit anerkannten Zentrum der Naturwissenschaften machten. Für das Mathematische Institut wurde 1929 ein weithin beachteter Neubau errichtet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg differenzierten sich die Göttinger Naturwissenschaften immer weiter aus: Am Ende des Wintersemesters 1951/52 wurde die Fakultät für Agrarwissenschaften aus der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät ausgegliedert. Im Jahr 1974 wurden die Geographischen, Mineralogischen und Geologischen Institute zur Fakultät für Geowissenschaften und Geographie zusammengelegt. Die drei Institute für Organische, Anorganische und Physikalische Chemie wurden 1996 zu einem eigenen Fachbereich, heute Fakultät, vereinigt. In demselben Jahr wurde auch der 1969 geschaffene Biologische Fachbereich zu einer eigenen Fakultät erhoben. Noch rascher entwickelte sich die Physik, die ebenfalls ihre eigene Fakultät bildete. Unter anderem entstanden die Institute für Theoretische Physik, Kern-, Strömungs- und Metallphysik.

Die Mathematische Fakultät wurde schließlich um die Informatik erweitert, seit 2001 bündelt das Zentrum für Statistik die statistischen und stochastischen Fachbereiche.

  • Geyken, Frauke: Zum Wohle aller. Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen von ihrer Gründung 1737 bis 2019, Göttingen 2019, S. 74–97.
  • Hund, Friedrich: Die Geschichte der Physik an der Universität Göttingen, in: Schlotter, Hans-Günther (Hrsg.): Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität zu Göttingen, Göttingen 1994, S. 160–172.
  • Wittram, Reinhard: Göttinger Universitätsreden, Bd. 39: Die Universität und ihre Fakultäten, Göttingen 1962, S. 19–27.
  • http://www.math.uni-goettingen.de/historisches/entwicklung.html (25.07.2022)
  • http://www.stochastik.math.uni-goettingen.de/index.php?id=18 (25.07.2022)