Expertise zum Aufbau eines Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU

"Bundesweite Bestandsaufnahme von Aufarbeitungsaktivitäten und Einbindung von Betroffenenperspektiven"

Im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)



Die Bundesregierung aus SPD, FDP und Die Grünen hat in ihrem Koalitionsvertrag die Errichtung eines „Erinnerungsortes sowie eines Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU“ in Aussicht gestellt. Der NSU, unterstützt von lokalen und überregionalen Netzwerken, konnte von 1999 bis zu seiner Selbstenttarnung 2011 neun Migranten und eine Polizistin ermorden, sowie drei Bombenanschläge auf migrantische Orte verüben. Während Ermittlungsbehörden aus allen beteiligten Bundesländern ausnahmslos Ermittlungsthesen verfolgten, welche ausschließlich auf die Opfer gerichtet waren, sorgte die plötzliche Selbstenttarnung des NSU 2011 für ein Ende der jahrelangen falschen Beschuldigungen, Stigmatisierungen und Kriminalisierung der Angehörigen. Allerdings warten die Opfer, Angehörigen-Betroffenen bis heute auf die Einlösung des Versprechens einer lückenlosen Aufklärung und insbesondere einer würdigen Erinnerung.

Als einen ersten Planungsschritt hin zu einem möglichen Ort der Dokumentation und der Erinnerung wurde ein Team am Institut für Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen (Sabine Hess, Lee Hielscher, Çaǧan Varol, Jelka Günther, Eva Apelt, Yasmin Dreessen) von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mit einer Expertise beauftragt, anhand einer Bestandsaufnahme die bundesweiten Aufarbeitungsaktivitäten zum NSU-Komplex qualitativ einzuordnen sowie mit den Betroffenen und Angehörigen als auch mit unterstützenden Gruppen, Opferberatungen und Anwält*innen grundlegende Fragen nach Ausrichtung, Inhalten und Strukturen eines solchen Ortes zu erörtern.

Unser Ziel ist es in offenen Gesprächen zu ergründen, wie sie sich einen solchen Ort (oder Orte) vor dem Hintergrund ihrer Kämpfe um Aufklärung und Gedenken wünschen. Dabei sollen verschiedene strukturelle, methodische und inhaltliche Überlegungen – etwa hinsichtlich des Standorts, der Aufgaben, der Voraussetzungen für Partizipation und Mitgestaltung oder der Anforderungen an eine rechtliche Trägerstruktur – ergebnisoffen reflektiert und hierauf aufbauend eine Empfehlung verfasst werden, wie die Perspektive der Betroffenen und Angehörigen in allen Schritten der Realisierung zentral gestellt werden kann.

Die Expertise ist eine von drei Clustern, die als Basis für die Erstellung einer Machbarkeitsstudie durch die Bundeszentrale für politische Bildung dienen und in denen grundlegende Fragen für ein Konzept eines NSU-Dokumentationszentrums erörtert werden sollen.