Kunstwerk des Monats April

07. April 2024
Ein neu entdeckter Makart in Göttingen? Ölskizze "Der Frühling"
Vorgestellt von Prof. Dr. Thomas Noll


KDM Plakat 04.2024(2)


‚Susanna und die beiden Alten‘ nach Peter Paul Rubens
Die Geschichte der schönen und gottesfürchtigen Susanna und den beiden als Richter amtierenden Ältesten des Volkes Israel, die in der Zeit des Babylonischen Exils spielt und von der das deuterokanonische Kapitel 13 im ‚Buch des Propheten Daniel‘ berichtet, hat Peter Paul Rubens (1577-1640), der Hauptmeister der flämischen Barockmalerei, in über einem halben Dutzend Fassungen dargestellt. Bei dem Göttinger Gemälde handelt es sich (nach Ausweis des rückseitigen Brandstempels) um eine in Antwerpen angefertigte zeitgenössische Kopie von unbekannter Hand nach der letzten, um 1636-1638 entstandenen Version des Themas von Rubens (Alte Pinakothek, München). Genauer zeigt es die Komposition, bevor Rubens noch kleinere Veränderungen daran vorgenommen hat; das Göttinger Bild muss somit seinerseits aus den späten 1630er Jahren stammen, wenn nicht die Kopie einer Kopie vorliegt.
Seit frühchristlicher Zeit sind verschiedene Episoden der Geschichte von Susanna verbildlicht worden. In der Exegese konnte Daniel, der Susanna vor der Steinigung bewahrt und ihre lügnerischen Ankläger richtet, als Präfiguration Christi aufgefasst werden; Susanna begegnet bei Hieronymus als Typus der von Häresien bedrohten Kirche. In der bildenden Kunst dominierte seit der frühen Neuzeit das Motiv ‚Susanna und die beiden Alten‘ (oder ‚Susanna im Bade‘); dabei erscheinen die Männer bald als voyeuristische Beobachter der Susanna, bald sieht man, wie Susanna von ihnen mehr oder weniger massiv bedrängt wird.
Dieser zweiten Richtung folgt Rubens in allen seinen Darstellungen, jedoch mit reichen Variationen, unter denen vor allem die letzte Fassung durch ihre Besonderheiten hervorsticht. Denn nicht nur befinden sich die beiden Parteien, Susanna und die beiden Alten, in einiger Distanz zueinander und beanspruchen gleichberechtigt je eine Hälfte des querformatigen Bildes. Sondern die Alten sind mit ihrer stachelnden Lüsternheit in gleichsam burlesker Überzeichnung vor Augen gebracht. Im Sinne der Bildunterschrift eines Reproduktionsstichs von Paulus Pontius nach einem verlorenen ‚Susanna‘-Gemälde von Rubens – „Turpe senilis amor“ („Schimpflich [ist] die Greisenliebe“), einem Zitat nach Ovid (Amores I, 9, 4), das auch Cornelius a Lapide S.J. in seinem Kommentar zum ‚Propheten Daniel‘ anführt – geht es wesentlich um die Lächerlichkeit und Torheit der Alten, auf deren Gaffen und Stürmen Susanna in diesem Fall mit abschätzigem Ennui reagiert.

Thomas Noll.