Regulating Freedoms – Legal Incorporation of Jews and Muslims in Europe

Aktuelle Debatten um die Integration religiöser, insbesondere muslimischer Minderheiten in Europa sind in hohem Maße von rechtlichen Fragen bestimmt. Gerichte haben sich unter Gesichtspunkten der Religionsfreiheit und Nicht-Diskriminierung zunehmend mit Kopftuchstreitigkeiten, Schächten, der Befreiung von koedukativem Schwimm- oder Sportunterricht oder der formalen Anerkennung religiöser Gemeinschaften zu befassen. Auch in Parlamenten sind diese Fragen zum Gegenstand der Diskussion geworden, wobei gelegentlich, wie in Frankreich oder einigen deutschen Bundesländern, eine eher restrikte Gesetzgebung eingeführt wurde. Manche europäische Gesellschaften experimentieren sogar mit neuen Formen des Rechtspluralismus, wie britische Debatten um muslimische Schiedsgerichte im Familienrecht zeigen.

Ethnologie und Soziologie, Rechts- und Islamwissenschaften haben sich in jüngster Zeit aus unterschiedlichen theoretischen und methodologischen Perspektiven der Rolle des Rechts in der Einbeziehung religiöser Minderheiten zugewandt. Eine Aufgabe der gegenwärtigen Forschung ist es, diese verschiedenen disziplinären Ansätze miteinander ins Gespräch zu bringen, um die komplexen Dynamiken des Umgangs mit religiöser Diversität in Europa zu verstehen und zu erklären.

Zwei komparative Leitfragen vermögen dabei die Diskussion zu strukturieren. Erstens ist aus einer historisch-vergleichenden Perspektive zu fragen, wie gegenwärtige Formen der Einbeziehung religiöser Minderheiten sich zu denen des 19. Jahrhunderts verhalten und wieweit die damaligen konfessionellen Konfliktkonstellationen, aus denen heraus die europäischen Nationalstaaten entstanden sind, bis heute wirksam sind. Und zweitens ist zu untersuchen, ob und warum Verwaltung, Gerichte und Parlemente auf vordergründig ähnliche Forderungen verschiedener religiöser Minderheiten, etwa Juden und Muslime, unterschiedlich reagieren und welche Vorstellungen sozialer Ordnung und nationaler Identität sich hierin widerspiegeln.

Der Lichtenberg-Kolleg-Workshop fand am 30. Juni und 1. Juli 2009 statt. Er knüpfte an laufende Forschungen in der Philosophischen, der Rechtswissenschaftlichen und der Sozialwissenschaftlichen Fakultät an und diente dazu, entlang dieser Leitfragen Möglichkeiten der interdisziplinären Kooperation zu erkunden und innovative Forschungsfragen zu identifizieren. Der Workshop war inhaltlich um Beiträge eines kürzlich veröffentlichten Bandes von José Brunner und Shai Lavi (Tel Aviv) organisiert, die in historischer Perspektive die rechtliche Einbeziehung von jüdischen und muslimischen Minderheiten in Deutschland vergleichen.

Erweitert wurde der komparative Rahmen durch einen öffentlichen Vortrag des Ethnologen John Bowen (Washington University, St Louis) der hochaktuelle Forschungen zur Rolle der Sharia im britischen Rechtssystem präsentiert. Mit diesen und anderen auswärtigen Experten aus Bremen, Hamburg und Paris wurden abschließend Aussichten gemeinsamer koordinierter Forschung diskutiert.