Wirtschaftspolitisches Forum

Freundschaft kann Wachstum beeinträchtigen



Axel Dreher und Martin Gassebner, CASH, S. 24, 28. September 2006


Wäre die Schweiz politisch so nah an den USA wie der Durchschnitt der OECD-Länder, stiege die Zahl der Anschläge in der Schweiz statistisch gesehen um 0,2 pro Jahr. Ausserdem würde das Wirtschaftswachstum sinken.


Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gehört die Beschäftigung mit dem Terror zum Arbeitsfeld der Ökonomen. Sie versuchen, die makroökonomischen Auswirkungen des Terrors zu verstehen und zu kalkulieren. Ihre wissenschaftlichen Studien haben ergeben, dass Terroranschläge das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. Die Anschläge verringern zudem die ausländischen und inländischen Investitionen, den Konsum, den Aussenhandel und die Aktienkurse. Während die Auswirkungen des Terrors somit zumindest teilweise bekannt sind, wurden die Gründe für den Terrorismus von den Wissenschaftlern bisher weit weniger intensiv beleuchtet. Hier setzt eine an der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich durchgeführte Studie an. Sie zeigt, dass die Häufigkeit und das Ausmass an Terror davon abhängen, wie zersplittert die politischen Kräfte eines Landes sind. Zudem zeigt sich, dass weder die politische Freiheit in einem Land, sein Bruttoinlandprodukt, noch seine Einwohnerzahl die Häufigkeit von Terroranschlägen beeinflusst. Als besonders wichtig erweist sich hingegen die politische Nähe zu den USA. Auf einer Skala von 0-1 impliziert die durchschnittliche Nähe der OECD-Länder zu den USA theoretisch mehr als zwei Anschläge pro Jahr. Wäre die Schweiz politisch so nah an den USA wie der Durchschnitt der OECD, wäre das statistisch gesehen für 0,2 zusätzlichen Terroranschläge verantwortlich. Sogar die durchschnittliche Zahl der Toten pro Anschlag wird durch die politische Nähe zu den USA nach oben getrieben: Steigt der Index der politischen Nähe beispielsweise von null auf eins, sterben im Durchschnitt fast drei Menschen mehr pro Anschlag. Auch die Wahrscheinlichkeit von Selbstmordanschlägen nimmt zu.




Folgen für Wirtschaftswachstum


Verbinden wir unsere Ergebnisse mit denen früherer Studien, lassen sich Rückschlüsse auf das Wirtschaftswachstum ziehen. Die Arbeit der in den USA forschenden Ökonomen Blomberg, Hess und Orphanides über die Auswirkungen des Terrors auf die Wachstumsrate beispielsweise zeigt, dass ein zusätzlicher Anschlag pro Million Einwohner das Wachstum eines Jahres um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte mindert. Dabei unterscheiden sich die Auswirkungen des Terrors in den unterschiedlichen Regionen allerdings dramatisch. In Asien beispielsweise lässt sich im Durchschitt keine Wachstumswirkung nachweisen, während ein zusätzlicher Terroranschlag pro einer Million Einwohner in Afrika das Wachstum um beinahe 4 Prozentpunkte reduziert. Ein durchschnittliches OECD-Land verliert einen halben Prozentpunkt an Wachstum.


Was bedeuten diese durchschnittlichen Ergebnisse nun für die Schweiz? Bei einer Einwohnerzahl von ungefähr sieben Millionen wären 0,2 Terroranschläge für einen Wachstumsverlust von 0,02 Prozentpunkten verantwortlich. Dieses Ergebnis ist freilich mit Vorsicht zu geniessen, denn die durchschnittlichen Zahlen sind nicht automatisch auch für jeden Einzelfall sinnvoll interpretierbar. Zudem lassen sich die indirekten Kosten des Terrors nur sehr ungenau erfassen – besonders der psychologische Aspekt ist kaum zu greifen. Zum fünften Jahrestags des 11. September sind die genauen Folgen für die Weltwirtschaft noch immer im unklaren.