Hast du heute schon gegessen?

4. Semester, Studentin der Modernen Sinologie


Ich studiere Moderne Sinologie im 4. Fachsemester und habe seit einem Jahr zwei chinesische Sprachpartner – eine Studentin und einen Studenten, die ich über die von der Fachschaftsgruppe organisierte TandempartnerInnen-Börse gefunden habe. Viele Partnerschaften werden allerdings auch über Bekannte vermittelt und daher wird man immer jemanden finden, denn die chinesische Seite ist genauso am Sprachaustausch interessiert wie die deutschen Studierenden.
Das erste Semester habe ich zur Orientierung genutzt. Da ich keinerlei Vorkenntnisse in Chinesisch hatte, hätte der sowohl sprachliche als auch kulturelle Austausch zwar immerhin in einer Sprache stattfinden (was sicherlich interessant gewesen wäre), sich auf Dauer allerdings bestimmt als sehr einseitig hätte darstellen können. Im zweiten Semester war mein Chinesisch -mit viel Wohlwollen betrachtet- auf Smalltalk-Höhe und so konnte ich zumindest ansatzweise meine chinesischen Gesprächspartner mit einigen chinesischen Sätzen beeindrucken, denn meine bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass sie durchaus Hochachtung vor Ausländern haben, die sich mit ihrer einzigartigen Sprachebeschäftigen.
Wir treffen uns jeweils ein- bis zweimal wöchentlich, was aber je nach Terminlage auch variieren kann, es handelt sich schließlich um eine freiwillige Zusammenarbeit. Meistens berichten wir erst einmal von unserer Woche – jeder natürlich in der Sprache des anderen (was mittlerweile schon recht fließend funktioniert) und danach lesen wir gemeinsam Texte. Ich denke, dass es dadurch schon gelingt, Ausspracheprobleme (insbesondere hinsichtlich der chinesischen Töne) in den Griff zu bekommen. Es dauert aber immer, bis man ein Gefühl für die Sprache entwickelt hat und Sprachpartnerschaften können diesen Prozess unterstützen, wenn nicht sogar beschleunigen. Interessant ist vor allem der kulturelle Austausch. Mein Sprachpartner begrüßte mich bei unserem ersten Treffen mit: „Hast du heute schon gegessen?“, was in Deutschland eine untypische Begrüßung ist, und mich im ersten Moment in eine Zwangslage brachte, da ich tatsächlich bereits gegessen hatte, aber davon ausging, er hätte Hunger und wollte mit mir etwas essen gehen. Meine chinesischen Sprachpartner sind äußerst zuvorkommend, denn sie machen öfters kleine Geschenke und laden auch gerne zu selbstgemachten typischen chinesischen Gerichten ein. Das interessante daran ist, dass sie eigentlich keine Gegenleistung fordern und ich zwar gesättigt, aber immer doch mit einem kleinen schlechten Gewissen nach Hause gehe und mir jedes Mal vornehme, mich zu revanchieren. Zumindest kann ich ihnen bei Fragen zur deutschen Sprache helfen und ihre Texte korrigieren.
Generell sind Sprachpartnerschaften eine faszinierende kulturelle Horizonterweiterung, die nebenbei auch einen sprachlich positiven Effekt haben und die ich jedem nur wärmstens empfehlen kann!