Editionsprinzipien der Großen Brandenburger Ausgabe



Die Große Brandenburger Ausgabe, 1994 von Gotthard Erler im Aufbau-Verlag, Berlin, begründet und bis 2013 herausgegeben, wird mit den Abteilungen »Das autobiographische Werk«, »Das reiseliterarische Werk« und »Das kritische Werk« von Gabriele Radecke und Heinrich Detering fortgeführt. Die Bände werden von einer Arbeitsgruppe an der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Universität Göttingen ediert. Im Rahmen der Fortführung der »Großen Brandenburger Ausgabe« wurden die Editionsprinzipien weiter ausdifferenziert und dem editionswissenschaftlichen Standard für kritische und kommentierte Studienausgaben in historischer Textgestalt angepasst.

Prinzipien der Textkonstitution


Der Edierte Text wird zeichengetreu nach der ersten Buchausgabe veröffentlicht; in begründeten Ausnahmefällen wird auf den Journalerstdruck bzw. auf die Handschrift (etwa bei Nachlasstexten) zurückgegriffen. Alle Inkonsequenzen der Orthographie und Interpunktion in der Überlieferung sind grundsätzlich beibehalten. Typographische Besonderheiten der ersten Buchausgabe bzw. des Journalerstdrucks werden dann berücksichtigt, wenn eine semantische Relevanz anzunehmen ist. So wird in der Neuedition die Differenzierung zwischen arabischer und römischer Paginierung (etwa bei den Vorworten und den Autor-Inhaltsverzeichnissen) übernommen. Auch werden die Kapitelüberschriften innerhalb ihrer Hierarchie in einer adäquaten modernen Typographie wiedergegeben sowie Absätze und Kapitelanfänge nach der Textvorlage eingerückt. Die Unterscheidung zwischen Fraktur und Antiqua im historischen Druck wird beibehalten und durch Bodoni (Fraktur) und Helvetica (Antiqua) zum Ausdruck gebracht, wobei die Anführungszeichen nur in Helvetica gesetzt werden, wenn diese in der ersten Buchausgabe in Antiqua stehen bzw. wenn das durch die Anführungszeichen hervorgehobene Wort in Helvetica ausgezeichnet ist. Innerhalb eines in Fraktur gesetzten Wortes erscheinen in Antiqua gesetzte Einzelbuchstaben mit einem frz. Akzent (z. B. »é« oder »è«) in der Grundschrift Bodoni. Sperrungen werden reproduziert, ebenso der Kapitelschlussstrich und das durch drei Sternchen gekennzeichnete Absatzzeichen (* * * bzw. * * *). Die Fußnotenmarkierungen im Fließtext werden reproduziert, wobei der Fußnotentext am Seitenende gemäß der Reihengestaltung des Verlags ohne die Trennlinie zwischen dem Haupt- und Fußnotentext in kleinerer Schrift erscheint. Die Kapitel werden fortlaufend gesetzt; größere Abschnitte, wie etwa die acht Abschnitte in »Von Zwanzig bis Dreißig«, folgen der Einrichtung der Erstausgabe. Anführungszeichen, die bei Inquit-Einschüben mit Parenthesen durch Kommata ersetzt werden, werden nicht ergänzt. Nicht übernommen werden Ligaturen und die Unterscheidung zwischen rundem »s« und langem »Schaft-s« (ſ) sowie die doppelten Silbentrennstriche (⸗) bzw. der Doppelstrich bei Wortkopplungen (⸗); Letztere werden durch den einfachen Trennstrich (»-«) wiedergegeben. Der lange Gedankenstrich wird als Halbgeviertstrich reproduziert (»–«), runde doppelte und einfache Anführungszeichen werden als spitze Anführungszeichen wiedergegeben (» und « bzw. › und ‹); das im historischen Frakturdruck verwendete Zeichen für etc. wird durch das heute übliche und in Fontanes Handschrift so geschriebene »etc.« ersetzt. Unberücksichtigt bleiben die unterschiedlichen Schriftgrößen im Fließtext, etwa bei eingerückten längeren Zitaten. Kolumnentitel werden in der Neuedition als Orientierungshilfe eingefügt.


Texteingriffe


Alle Texteingriffe, Korrekturen von Setzer-/Druckfehlern und Normierungen werden in »Zu diesem Band« nachgewiesen. Im Edierten Text werden darüber hinaus die substantiellen Texteingriffe kursiv in kursiven eckigen Klammern wiedergegeben (bei Tilgungen ist der Eingriff recte in kursiven Klammern). Setzer- und Druckerfehler (z. B. »nud« statt »und«) sowie mechanische Unregelmäßigkeiten (z. B. i ohne i-Punkt) werden hingegen nicht markiert. Das in der Fraktur oftmals synonym verwendete J und I wird in I und J differenziert. Eindeutig fehlende An- oder Abführungszeichen werden ohne Hervorhebung ergänzt; doppelte Anführungszeichen in doppelten Anführungszeichen werden nach der heutigen Gepflogenheit zu einfachen Anführungszeichen in doppelten Anführungszeichen normiert. Eingerückte Verszitate, die in der Erstausgabe in jeder Zeile durch Anführungszeichen markiert sind, werden nur zu Beginn und Ende des Zitats durch An- bzw. Abführungszeichen gekennzeichnet.


Prinzipien der Kommentierung


Der Kommentar umfasst drei Überblickskommentare – Entstehungsgeschichte, Rezeption und Überlieferung – sowie den Stellenkommentar und die annotierten Register. Kursive Textstellen in den zitierten Drucken werden gesperrt wiedergegeben.


Entstehungsgeschichte


Die Entstehungsgeschichte informiert aufgrund von Theodor Fontanes Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und anderen Quellen über die Textentstehung von der ersten Idee oder Notiz bis zur ersten Buchausgabe bzw. zur letzten handschriftlichen Niederschrift (bei Nachlasstexten). Historische und außerliterarische Zusammenhänge werden dabei ebenso berücksichtigt wie Gattungsfragen, Genrekontexte und eine Darstellung der benutzten Quellen. Eine tabellarische Übersicht fasst die wichtigsten Daten zur Entstehungsgeschichte des Werkes zusammen.


Rezeption


Der bislang in der GBA mit ›Wirkung‹ bezeichnete Überblickskommentar wird mit dem Pilotband »Von Zwanzig bis Dreißig« ›Rezeption‹ heißen (vgl. auch schon »Mathilde Möhring«; GBA–Erz. Werk, Bd. 20). Die kritische Darstellung der zeitgenössischen Rezeption stützt sich auf Rezensionen, Fontane-Briefwechsel und Tagebücher sowie andere historische Zeugnisse. Sie beginnt mit Meinungen und Urteilen über das Werk im privaten Umfeld Fontanes und widmet sich anschließend der zeitgenössischen Rezeption in der Tagespresse. Das Kapitel endet mit einem knappen Ausblick auf die nach 1898 folgende Publikationsgeschichte des Buches, gegebenenfalls unter Berücksichtigung charakteristischer Forschungs- und Rezeptionsaspekte.


Überlieferung


Das Überlieferungskapitel gibt einen Überblick über die tatsächliche Überlieferung des Werkes. Es informiert über die Provenienz der Handschriften (Archivstandorte) unter Berücksichtigung der vermissten Bestände, listet alle Journalerstdrucke und Buchausgaben bis zu Fontanes Tod 1898 auf und informiert über die Druckvarianten. Aufgrund repräsentativer Beispiele wird Fontanes Arbeitsweise veranschaulicht; darüber hinaus werden Einblicke in die Textgenese unter Berücksichtigung möglichst aller Entstehungszeugnisse gegeben. Das sind: Notizen und Zeitungsausschnitte, Dispositionen von Kapiteln, Schauplätzen und Figuren, Entwürfe und die erste Niederschrift, Überarbeitungen und Reinschriften Fontanes sowie Emilie Fontanes Abschrift, die als Satzvorlage diente. Die Begriffe orientieren sich an Gabriele Radecke Dissertation »Vom Schreiben zum Erzählen. Eine textgenetische Studie zu Theodor Fontanes Roman ›L’Adultera‹« (2002). Handschriftliche Textauszüge werden zeichen- und positionsgetreu (bei Gliederungen und Übersichten) und zeichengetreu (bei Entwürfen, Nieder- und Abschriften) transkribiert; die deutsche und lateinische Schrift wird differenziert in Bodoni und Helvetica. Auf die Wiedergabe des Schaft-s (ſ) wird verzichtet und der Geminationsstrich über »m« und »n« zu »mm« und »nn« aufgelöst. Die Unterstreichungen und Durchstreichungen werden zeichengetreu und schematisch einfach bzw. mehrfach horizontal wiedergegeben. Genetische Hinweise (z. B. »überschrieben«, »mit Blaustift«) der Herausgeberinnen und Herausgeber werden in kursiven eckigen Klammern kursiv wiedergegeben. Unsichere Entzifferungen werden mit einem hochgestellten Fragezeichen umrahmt.


Stellenkommentar


Der Stellenkommentar beruht auf Autopsie. Für die Neukommentierung wurden die älteren Fontane-Ausgaben zwar dankbar genutzt (vgl. http://www.uni-goettingen.de/de/literatur--und-siglenverzeichnis/502570.html), sämtliche Angaben jedoch geprüft und gegebenenfalls korrigiert und ergänzt. Der forschungs- und quellenfundierte kulturhistorische Stellenkommentar bietet nicht nur Sacherläuterungen und -anmerkungen, sondern kontextualisiert und relativiert Fontanes Texte aufgrund zahlreicher Umkreismaterialien (historischer Quellen, der Werkhandschrift, persönlicher Dokumente des Autors und anderer wie Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und weiterer autobiographischer Schriften) sowie Fontanes Erzähl- und Reisewerk, Lyrik und Essays. Er stellt zudem eine Verbindung zu den Überblickskommentaren her. Erläutert werden autobiographische Details, Personen, historische Daten und Ereignisse, insbesondere in Bezug auf die preußische, deutsche, englische und französische Geschichte, Topographisches, kulturhistorische Details aus der Alltags- und Arbeitswelt des 19. Jahrhunderts, Kunstwerke, Zeitschriften und Zeitungen sowie philosophische, politische und ideengeschichtliche Diskurse. Außerdem werden fremdsprachige Passagen übersetzt sowie Fremdwörter und geflügelte Worte, historische Ausdrücke, Modewörter, sprachschöpferische Einfälle Fontanes, Mundartliches und Berliner Jargon erläutert. Hinzu kommt die Ermittlung versteckter Zitate, Sprichwörter und Redensarten sowie Fontane’scher Eigenzitate. Alle Zitate, Paraphrasierungen, Lexikoneinträge und Fremdwörter werden nach Möglichkeit unter Angabe der Sigle nachgewiesen. Die Seitenzahlen der Lemmata verweisen auf den Beginn des jeweiligen Stichworts. Allgemeine Informationen zu den Personen werden im komplementären annotierten Personenregister zusammengefasst.


Register


Die Register beziehen sich auf alle Personen und ihre Werke, auf literarische Vereine, geographische Begriffe, Periodika und Fontanes Werke, die in »Von Zwanzig bis Dreißig« direkt und indirekt genannt werden; der Anhang ist nicht berücksichtigt. Indirekte Erwähnungen werden im Stellenkommentar identifiziert und finden sich in den Registern unter den ermittelten Namen. Die Haupteinträge des annotierten Personenregisters umfassen die Stammdaten (Lebensdaten und Beruf) und darüber hinausgehende textspezifische Informationen. Fehlerhafte Schreibweisen und sachliche Irrtümer Fontanes werden im Stellenkommentar korrigiert und in der korrekten historischen Schreibweise in den Registern verzeichnet. Fontanes unterschiedliche Schreibungen werden als Nebeneinträge erfasst, ebenso alle Pseudonyme sowie die fiktiven Namen der ›Tunnel‹- und ›Rütli‹-Mitglieder, von denen auf den historischen Personennamen im Haupteintrag verwiesen wird. Alle Herrscher werden unter ihren Eigennamen eingeordnet. Mit ihrem Geburtsnamen erwähnte Frauen sind im Personenregister unter diesem verzeichnet, Personen mit mehreren Vornamen unter ihrem Rufnamen. Der Hinweis auf einen erworbenen Adelstitel folgt nach dem Geburtsdatum. Nicht ermittelte Anonyma, wie zum Beispiel ein Kutscher, ein Wirt, eine Hausangestellte oder auch Familienangehörige, werden unter ihrem Arbeitgeber bzw. unter dem Familiennamen aufgeführt. Unbekannte Lebensdaten werden durch ein Fragezeichen gekennzeichnet.
Für die Registerannotationen wurden Nachschlagewerke und Internetquellen ebenso genutzt wie die Register der im Literaturverzeichnis aufgeführten Editionen, wobei die Einträge in jedem Fall geprüft und gegebenenfalls korrigiert wurden.

Weitere Informationen zu den Bänden, etwa ausführliche Personenerläuterungen und Bildmaterial sowie die Apparate der Druckvarianten, werden auf der Website der Theodor Fontane-Arbeitsstelle publiziert.

(Gabriele Radecke, Heinrich Detering)