Ausstellung: Lichtenbergs MenschenBilder - Charaktere und Stereotype in der Göttinger Aufklärung

Der Katalog zur Ausstellung ist im Göttinger Verlag der Kunst erschienen und dort sowie im Buchhandel erhältlich.

Im Zentrum der Ausstellung, die vom 17. Mai bis zum 30. Juni 2018 gezeigt wurde, standen zwei Hauptvertreter der Göttinger Aufklärung, Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), Namensgeber des Kollegs, und Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840). Mit Bildern aus Göttinger Sammlungen zeigte die Ausstellung die Wahrnehmung und Konstruktion von menschlicher Diversität in der europäischen Aufklärungstradition. Es geht um nichts weniger, als um die Frage, was es heißt, Mensch zu sein.
Im 18. Jahrhundert hinterließen Reisen, besonders in den pazifischen Raum, einen bleibenden Eindruck auf die europäischen Gesellschaften und ihre Wissenspraktiken. Die Ausstellung nimmt Lichtenbergs Lektüre der Reiseberichte und seine eigenen Reisen nach London zum Ausgangspunkt, um kontroverse Themen der Göttinger Aufklärung aufzuzeigen. Zentral stehen die Debatten über menschliche Varietät; es geht um die "Wissenschaft vom Menschen".
In London begegnete Lichtenberg den Grafiken William Hogarths, die mit Lust und Laune, mit Satire und Sozialkritik ein Portrait des neuen Bürgertums und des kolonialen Konsums zeichneten. Lichtenberg trug durch seine Kommentare wesentlich zur Popularisierung von Hogarth in Deutschland bei. Hier gab es ein großes Interesse daran, was den Menschen eigentlich ausmachte. Publikationen wie Johann Kaspar Lavaters „physiognomische Fragmente“ beeinflussten das Denken über menschliche Vielfalt. Die angenommene Übereinstimmung zwischen dem Aussehen einer Person und ihren charakteristischen Eigenschaften wurde intensiv diskutiert. Lichtenberg trat als ironischer und hellsichtiger Kommentator auf.
Blumenbach war genauso fasziniert von Bildern menschlicher Varietät. Er nahm die künstlerischen Talente des Zeichners und Kupferstechers Daniel Chodowiecki (1726-1801) in Anspruch, um seine Theorie der "Einheit des Menschengeschlechts" zu visualisieren. Der Göttinger Mediziner ist heute besonders für seine Sammlung menschlicher Schädel bekannt, die er für vergleichende Untersuchungen nutzte. Die Ausstellung illustriert wie sehr Blumenbach auch an Reiseberichten in andere Erdteile und Abbildungen von deren Bewohnern interessiert war.
Anhand von Reproduktionen aus der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen sowie aus der ethnologischen Sammlung und der Kunstsammlung der Universität stellt die Ausstellung dar, wie Lichtenberg und seine Kollegen visuell die europäische Fremd- und Eigenwahrnehmung gestaltet haben. Die Nachwirkung dieser Bilder ist bis heute spürbar – und umstritten.

Die Ausstellung wurde von Demetrius Eudell, Dominik Hünniger und Jan Stieglitz kuratiert und fand vom 17. Mai bis 30. Juni 2018 in der Historischen Sternwarte statt.

Inhalt des Katalogs zur Ausstellung:

Demetrius L. Eudell: »A Language for the Eye«: Lichtenberg, Lavater, Hogarth and the Spirit of Observation in the 18th Century

Sünne Juterczenka: Göttinger Lehnstuhlreisen: Lichtenberg, Georg Forster und die Berichterstattung über James Cooks Pazifikexpeditionen

Martin van Gelderen: Satire, Sozialkritik und serpentinische Schönheit: Menschen in der Kunst von William Hogarth (1697–1764)

Dominik Hünniger: Bilder machen – Charaktere, Stereotype und die Konstruktion menschlicher Varietät bei Johann Friedrich Blumenbach


Die Ausstellung wurde von öffentlichen Vorträgen begleitet:
Wednesday, 11th April 2018, 4:15 p.m.
Demetrius Eudell (Wesleyan University)
“A Language for the Eye”: Lichtenberg, Lavater, Hogarth and the Spirit of Observation in the 18th Century

Donnerstag, 12. April 2018, 18:15 Uhr
Rebekka v. Mallinckrodt (Universität Bremen):
Menschenbilder - Menschenrechte. Zur rechtlichen und sozialen Lage verschleppter Menschen im frühneuzeitlichen Europa

Wednesday, 18th April 2018, 4:15 p.m.
Temi Odumosu (University of Malmö):
The Taboo Touch: Artists, Africans and graphic satire in 18th century England

Donnerstag, 3. Mai 2018, 16:15 Uhr
Sünne Juterczenka (Universität Göttingen):
Göttinger Lehnstuhlreisen: Lichtenberg, Georg Forster und die Berichterstattung über James Cooks Pazifikexpeditionen

Friday, 4th Mai 2018, 4:15 p.m.
Katy Barrett (Science Museum London):
‘the pencle of an able painter’: William Hodges paints Cook’s Voyages of Exploration