Kommunikation in der Lehre


In den folgenden Abschnitten finden Sie Anregungen für eine gender- und diversitätsreflektierende Lehrkommunikation. Vieles davon haben Sie vielleicht schon häufiger auch "einfach so" angewendet.

Bereits im Vorfeld einer Veranstaltung können Sie Ansprechbarkeit signalisieren, z.B. auf der Lernplattform-Seite der Lehrveranstaltung oder per E-Mail.
Mit Formulierungen wie „Bitte teilen Sie mir mit, was ich als Lehrende*r schon vor der Veranstaltung wissen sollte." eröffnen Sie Studierenden die Möglichkeit, Anliegen vertraulich schon vor der Veranstaltung zu klären, ohne sich vor Kommiliton*innen erklären zu müssen.
Dazu können z.B. Fragen nach der Barrierefreiheit von Veranstaltungen gehören, nach der Möglichkeit, mit einem anderen als dem in der elektronischen Studierendenakte hinterlegten Vornamen angesprochen zu werden, nach Workload und Möglichkeiten der Vereinbarkeit oder nach Prüfungsformaten und Leistungsanforderungen.

Geben Sie mit Kontakt und Zeitangaben bekannt, wie, wann und wo Sie erreichbar sind, ggf. auch, wann Sie nicht erreichbar sind oder welchen Mindest-Vorlauf Sie zur Bearbeitung von Anfragen benötigen. Stellen Sie sicher und kommunizieren Sie, dass Sie die erhaltenen Informationen vertraulich behandeln werden bzw. teilen Sie Studierenden mit, in welchen Fällen Sie zur Bearbeitung des Anliegens Unterstützung durch Vorgesetzte oder Kolleg*innen hinzuziehen wollen oder müssen.

Sie können eine Vereinbarung zum gemeinsamen Lehren und Lernen treffen und diese selbst vorbereiten und/oder mit den Studierenden gemeinsam erarbeiten. Darin kann festgehalten werden, welche Wünsche und Erwartungen alle Beteiligten an die Veranstaltung und ihre Atmosphäre haben, wie sie miteinander kommunizieren wollen, wie sie mit Konflikten und aufgeheizten Diskussionen umgehen wollen, und welche Rahmenbedingungen Sie in Ihrer Veranstaltung für ein lernförderliches Klima, für eine gelingende Kommunikation und zum Schutz vor Diskriminierung setzen wollen. Eventuell auftretende Konflikte können so ggf. leichter adressiert und gelöst werden, weil schon vorher ein Rahmen dafür geschaffen ist.
Ein Beispiel für eine solche "Kommunikationsunterstützung" (dort jedoch im Kontext von Social-Justice-Trainings) findet sich bspw. bei Czollek/ Perko u.a., 2019:65, ein Beispiel für einen überfachlichen Code-of-conduct für Onlineveranstaltungen z.B. bei der FU Berlin.

Nicht nur für Studierende, die Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen wollen/ müssen, sondern auch für alle anderen ist es wichtig, dass Leistungsanforderungen, vor allem Prüfungsformate und -termine und Teilnahmebedingungen, so früh wie möglich kommuniziert werden.
Darüber hinaus kann es gerade für Studierende, die vergleichsweise neu sind an der Universität, hilfreich sein, dass auch formale und inhaltliche Vorgaben und Bewertungskriterien, z.B. für Hausarbeiten, Handouts, Essays, Referate oder andere schriftliche und mündliche Teilnahme- und Prüfungsformate transparent gemacht werden. Hilfreich kann hier ein "Leitfaden zur Erstellung von ..." sein, welcher an vielen Fakultäten und Instituten bereits vorhanden ist.
Schriftliche Arbeiten sollten mindestens hinsichtlich Themenwahl und Gliederung möglichst verbindlich vorbesprochen werden, um Dozent*innen wie auch Studierenden ein "böses Erwachen" zu ersparen.
Auch für die Begründung einer Note lohnt es sich, ein an den Ausgangskriterien orientiertes kurzes (schriftliches) Feedback zu geben, mit dem Studierende ihre eigene Leistung besser einordnen können und Hinweise zur persönlichen Verbesserung nutzen können.

Zurückhaltung und Schweigen in Lehrveranstaltungen kann verschiedene Ursachen haben. Um allen, die sich beteiligen wollen, die Möglichkeit zu geben, sich zu beteiligen, bieten sich Methoden an, die die Schwelle zur Beteiligung senken, wie z.B. Gruppenarbeiten, Murmelrunden, Sammlung zuvor schriftlich festgehaltener Stichpunkte (Zettelabfragen), oder digitale Tools (eine Übersicht dazu finden Sie beim Service für digitales Lernen und Lehren.
Auch die Hochschuldidaktik bietet immer wieder Workshops zu aktivierenden Methoden an.
Wichtig kann aber auch sein, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Fragen gestellt werden können und Fehler gemacht werden dürfen. Für diesen Rahmen eignet sich wiederum eine gemeinsame -> Vereinbarung (s.o.) gut.
Barrierefreie Kommunikation ist die Grundlage für Beteiligung. Ressourcen zur barrierefreie(re)n Gestaltung von Lehr-/Lernmaterialien, Videos und zu weiteren Aspekten der Lehre finden Sie auf den Seiten des Projekts "Lehren ohne Barrieren".

Noch stärker als in der Präsenzlehre ist in der Online-Lehre eine gute Moderation von Diskussionen hilfreich. Lehrende kommen hier schnell in eine doppelte Rolle: Einerseits strukturieren sie die Diskussion der Studierenden, in dieser Rolle können Dozierende z.B. darauf achten, dass sich möglichst viele Studierende an der Diskussion beteiligen können, Redebeiträge nicht zu langen Monologen werden, nicht immer die gleichen (zuerst) sprechen und die Diskussion sich nicht im Kreis dreht oder abschweift. Andererseits müssen sie ggf. Sachverhalte dar- oder richtigstellen, werden als Expert*innen adressiert oder steuern selbst Diskussionsbeiträge bei.
Hier empfiehlt es sich, zu Beginn die Beteiligungsmöglichkeiten und Rollen klarzumachen: Kommen die, die sich melden, sofort ins Sprechen, oder gibt es eine (ggf. erstmalige Meldungen vorziehende) Redeliste? Kann nur die Lehrperson eigene Beiträge, Ergänzungen und Einwürfe vorziehen, oder geht das auch für andere, z.B. durch kurze Antwortmöglichkeiten oder die Abfrage von noch offenen Meldungen zum alten Thema, bevor ein neues angeschnitten wird?

Neben einer Redeliste, die die Lehrperson in Präsenzveranstaltungen nur für sich führt, können in Online-Veranstaltungen die Meldungen auch im Chat für alle sichtbar festgehalten werden. Als Dozent*in lohnt es sich, immer wieder zu reflektieren, ob alle Studierenden gleiche Chancen haben, sich einzubringen oder ob es ggf. zu (unbewussten) Ungleichbehandlungen kommt.

Eine Sprache, die alle adressiert, öffnet Vorstellungshorizonte und schafft Raum für die sprachliche Repräsentation von mehr als einem Geschlecht. Sie ist zudem nicht schwerer verständlich als die Verwendung des sog. "generischen Maskulinums". (z.B. Pöschko/ Prieler 2018, Friedrich/ Heise 2019 sowie Braun et al. [1998] 2009, Stahlberg/ Sczesny [2001] 2006).
In der Handreichung Inklusive Schreibweise der Universität Göttingen finden Sie Anregungen und Hinweise zu inklusiven Formulierungen mit neutralen Begriffen ("Studierende") oder dem Asterisk/ Gender-Stern ("Professor*innen", "Bewerber*in").
Kurze Erklärung zu zwei häufig gestellten Fragen in diesem Kontext:
Einer Verwendung inklusiver Schreibweise in schriftlichen Arbeiten durch Studierende steht nichts entgegen.
Lehrenden steht es frei, im Einklang mit dem Präsidiumsbeschluss zur inklusiven Schreibweise vom 18.02.2020 Empfehlungen zum Gebrauch inklusiver Schreibweise beim Verfassen schriftlicher Arbeiten auszusprechen. Grundsätzlich stellt die Beachtung oder Nicht-Beachtung der inklusiven Schreibweise oder einer dazu durch Lehrende ausgesprochenen Empfehlung oder Weisung jedoch kein Kriterium bei der Bewertung von Prüfungs- oder Studien-Leistungen an der Universität Göttingen dar.

Besteht die Absicht, den Gebrauch inklusiver Schreibweise ausnahmsweise als Bewertungskriterium heranzuziehen, bedarf es in jedem Fall eines sachlichen Grunds und einer konkreten Regelung in den prüfungsrechtlichen Bestimmungen. Dazu zählen neben der Allgemeinen Prüfungsordnung (APO) die jeweiligen Studien- und Prüfungsordnungen oder Modulbeschreibungen der Studiengänge bzw. die jeweiligen Promotionsordnungen.
Anlaufstellen für rechtsverbindliche Auskünfte zur Bewertung von Prüfungsleistungen sind die Abteilungen Studium und Lehre und/ oder Wissenschaftsrecht und Trägerstiftung.
Eine inklusive (Bild-)Sprache soll grundsätzlich alle Menschen in gleichberechtigter Weise adressieren. Beim Schreiben oder Sprechen kann dabei auch die Vermeidung anderer sprachlicher Ungleichbehandlungen, Herabsetzungen oder Diskriminierungen möglich werden, die beispielsweise im oder auf Grundlage von Kolonialismus, Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit oder Nationalsozialismus entstanden sind oder weitere Ungleichwertigkeitsideologien transportieren.

Die Handreichung für Lehrende zum Umgang mit Diskriminierung in der Sprache, Selbst- und Fremdbezeichnungen ist ein Informationsangebot der Stabsstelle Chancengleichheit und Diversität für alle, die Fragen zum Umgang mit Diskriminierung in der Sprache haben und nach Handlungsmöglichkeiten suchen, Diskriminierung, wo immer möglich, zu reduzieren.

Empfehlungen und Positionen von Verbänden, Fachzusammenschlüssen und im jeweiligen Feld Aktiven, insbesondere zu Begriffen, die Teil aktueller gesellschaftlicher Debatten sind, können weitere Orientierung geben. Eine Auswahl:


In arbeitspsychologischen Untersuchungen wird das Konzept der Fehlerfreundlichkeit als geeignet angesehen, "um die Eigenschaft von Individuen zu fokussieren, Fehler als Entwicklungsprinzip zu nutzen" (Gartmeier 2010: 118).
Urmila Goel weist in ihrer Diskussion des Konzepts für die Hochschullehre darauf hin, dass es verharmlosend erscheine, "von Freundlichkeit zu sprechen, wenn es darum geht, mit strukturellen Machtungleichheiten und ihren gewaltvollen Konsequenzen umzugehen". Sie beschreibt Fehlerfreundlichkeit im Anschluss an Paul Mecheril (ders. 2004) als etwas, das gemeinsames Lernen in Räumen ermöglicht, in denen Menschen unterschiedliche Diskriminierungs- und Privilegierungserfahrungen gemacht haben. Es gehe darum, "dass immer davon auszugehen ist, dass es zu problematischen Handlungen und Äußerungen kommen wird und dass dann mit diesen umgegangen werden muss. Es heißt auch, dass ‚Fehler‘ dazu genutzt werden können, den Lernprozess voran zu bringen." (Goel 2016:42).
Es heißt aber auch, dass "Reproduktionen von Machtverhältnissen möglichst wenig negative Konsequenzen haben und dass in der Zukunft weniger Reproduktionen erfolgen werden. Das bedeutet, dass jene, die durch die Reproduktionen von Machtverhältnissen ausgegrenzt wurden, mit diesen nicht allein gelassen werden. Sie sollten erleben, dass diese Reproduktionen thematisiert und bearbeitet werden (ohne dass sie dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen). Sie sollten sicher sein können, dass es Konsequenzen haben wird, wenn Reproduktionen von Machtverhältnissen stattfinden. Und sie sollten die Gewissheit bekommen, dass sie nicht (alleine) dafür verantwortlich sind, auf diese Reproduktionen hinzuweisen und ihre Bearbeitung einzufordern ...“ (ebd.: 43).


Verwendete Literatur und weitere Ressourcen
Zuletzt aktualisiert am 13.02.2024