Wohnungspolitik: Zwischen Enteignung und Mietpreisbremse

Am 21. Januar 2020 richtete das cege die Diskussionsveranstaltung zum Thema "Wohnungspolitik: Zwischen Enteignung und Mietpreisbremse" in der Georg-August-Universität Göttingen aus. Das Thema Wohnen nimmt in den letzten Jahren in Deutschland zunehmend tagespolitischen Raum ein. Anfang des Jahres führte die neue Gesetzgebung des Berliner Senats zum allgemeinen Mietendeckel zu medialer Präsenz der Thematik. Der Wandel des städtischen und urbanen Raums im Kontext einer vernetzten, globalisierten Welt, wirft Fragen nach den Gestaltungsmöglichkeiten von Wohnraum auf, auch hinsichtlich gegenwärtiger ökonomischer, sozialer und ökologischer Herausforderungen.

Auf Einladung des cege fanden sich Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis zusammen, um das Spannungsverhältnis dieses facettenreichen Themas zu diskutieren. Auf dem Podium saßen Dr. Pia Lange (Georg-August-Universität Göttingen), Marcel Riethig (Kreisrat Göttingen) und Prof Dr. Kristof Dascher (Universität Regensburg). Die Veranstaltung wurde durch Prof. Dr. Udo Kreickemeier (Georg-August-Universität Göttingen) moderiert.

In seinem Eingangsstatement verdeutlichte Kristof Dascher, dass der Themenkomplex Wohnen von Grund auf kontrovers verhandelt wird und derzeitig gesamtgesellschaftlich emotional aufgeladen ist. Um die gegenwärtige Lage zu veranschaulichen, bediente er sich eines Modells: anlässlich eines Kindergeburtstages backen die Eltern genauso viele Törtchen wie Kinder sich einfinden. Verspätet und unangekündigt kommt ein weiteres Kind hinzu. Wie lassen sich nun die Törtchen am gerechtesten aufzuteilen? Gibt jeder ein Eckchen von seinem Kuchen ab oder sollen die Eltern ein neues backen? Hier zieht Kristof Dascher Analogien zur Situation des Wohnungsmarktes, den er als gespaltenes, von Extremen dominiertes Feld umreißt: für einen Großteil der Gesellschaft stiegen die Mieten in den letzten zehn Jahren sehr stark, für einige wenige gar nicht. Die Frage wer nun verantwortlich ist, etwas von seinem Teil abzugeben, um Verteilungsgerechtigkeit zu bekommen, ist in seiner Komplexität auszudiskutieren. Auch wirft das Modell Fragen hinsichtlich seiner Fairness, Effizienz und Zielgenauigkeit auf.

Pia Lange umriss in ihrer Einführung die juristischen Rahmenbedingungen von Wohnungspolitik. Die Verfassung gibt einen lockeren Rahmen, den Gesetzgebenden wird in diesem Politikbereich großer Spielraum gelassen. Als wichtige juristische Schritte der Entwicklung des Gesetzesrahmens zur Wohnungspolitik hob Pia Lange einige Punkte hervor, unter anderem die Einführung der Kappungsgrenze im Jahr 1985 und die Mietpreisbremse 2015. Die höchstrichterliche Entscheidung des BVerfG zur Mietpreisbremse im letzten Jahr lässt viele Möglichkeiten der Ausführung auf Länderebene zu. In Bezug auf Artikel 14 GG problematisierte Pia Lange außerdem Enteignungen als eine Möglichkeit, wobei die Enteignung von Einzelpersonen aktuell nicht im Gespräch ist. Offener Spielraum ist dafür bei der Begrenzung der Miethöhe gegeben. Insgesamt verdeutlichte sie, dass der gesellschaftliche, demokratische Diskurs maßgeblich die Wohnungspolitik bestimmt und dessen Perspektive und Grenzen festlegt.

Die Akteurinnen und Akteure des Wohnungsmarktes sind schwer zu umreißen und zu benennen, betonte Marcel Riethig in seinem Statement. Er legte besonderen Wert auf die soziale Dimension des Themas. Wohnen ist ein Armutsrisiko für viele Menschen geworden. Die Kommunen sind im Kontext eines sozial orientierten Wohnungsbaus ausschlaggebend. Das Thema birgt zunehmend sozialen Sprengstoff, da es immer weniger Sozialwohnungen gibt. In den Wirkungsmöglichkeiten der Mietpreisbremse sieht er hingegen vornehmlich demokratischen Sprengstoff. Um die Komplexität des Themas zu umreißen, stellte Marcel Riethig die Frage nach Angebot und Bezahlbarkeit von Wohnraum, wobei er die Lösung dieses Spannungsfeldes durch private Investoren als unbedingt notwendig bewertet. Bundes- sowie Landespolitik geben dabei den entscheidenden Rahmen. Als Experte für den Landkreis Göttingen, stellte er die These auf, dass die zukünftig notwendigen 5000 neuen Wohneinheiten nicht über Bund und Land finanziert werden könnten, sondern nur mit der Hilfe privater Investoren. Dabei ginge es nicht nur um klassische Bautragende, sondern auch um die Stärkung von Baugenossenschaften und anderen sozial verantwortungsbewussten lokalen Akteurinnen und Akteuren. Zusätzlich kann der Landkreis vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur im Landkreis ergreifen, um die Attraktivität des Göttinger Umlandes zu steigern.

Herr Kreickemeier verwies angesichts der angespannten Situation des heutigen Wohnungsmarktes auf die Schwierigkeiten der Wohnbaulandmobilisierung. Er thematisierte in diesem Zusammenhang Enteignung als eine mögliche Problemlösungsstrategie für Kommunen, dringend notwendiges neues Bauland zu gewinnen.

Den Großteil der Veranstaltung nahm die angeregte Diskussion zwischen den Podiumsgästen und dem Publikum ein. Mit spannenden Fragen an die Gäste, wurde nun das Thema vielfältig beleuchtet und an den Interessenschwerpunkten des Publikums orientiert.

Im Anschluss an die Diskussionsveranstaltung konnten die angestoßenen Themen, bei einem Umtrunk im persönlichen Gespräch vertieft werden.