Molekulare Grundlagen des Geruchssinns

Die olfaktorischen Sinneszellen der Insekten sind, wie bei den Vertebraten, bipolare Neuronen. Ihre Dendriten sind flüchtigen Stimulantien ausgesetzt und ihre Axone innervieren in die Antennalloben, die den Riechkolben der Vertebraten entsprechen. Olfaktorische Neuronen lassen ihre Dendriten in die olfaktorischen Sensillen hineinragen, die als morphologische Strukturen auf verschiedenen Teilen des Insektenkörpers vorhanden sind.
Basierend auf ihrer äußerer Morphologie, Ultrastruktur und physiologischen Eigenschaften sind die Sensillen in verschiedene Gruppen unterteilt, z.B. Sensilla trichodea, Sensilla basiconica, Sensillen mit Wandporen oder einem Spitzenporus (“wall-pore sensilla”, “terminal-pore sensilla”), sowie einwandige oder doppelwandige Sensillen.
Die Unterscheidung zwischen olfaktorischen (Geruchssinn) und gustatorischen (Geschmackssinn) Sensillen ist manchmal nicht so klar wie bei den Vertebraten, wo die beiden Prozesse in spezifischen anatomisch getrennten Organen stattfinden. Daher werden beide Prozesse in der Insektenkunde oft in dem Begriff Chemosensorik zusammengefasst und die Sensillen entsprechend als chemosensorische Sensillen bezeichnet.
Diese Sensillen sind beim Insekt nicht nur auf den Antennen zu finden, sondern auch an Mund, Flügeln, Beinen und Genitalien. Eine Trennung zwischen Geruchs- und Geschmackssinn kann allerdings in dem Sinne getroffen werden, dass die Stimuli, die in den Antennalloben verarbeitet werden, als olfaktorische Stimuli aufgefasst werden, während die übrigen Geschmacksstimuli sind, parallel zur Klassifizierung bei den Vertebraten.
Bei Insekten findet die chemosensorische Transduktion in den Sensillen statt, wohin Moleküle aus der Außenluft durch Porenkanäle (Durchmesser ca. 10 nm) in der Kutikula gelangen können. Der Raum innerhalb der chemosensorischen Sensillen ist mit einer extrazellulären Flüssigkeit, der sogenannten Sensillen-Lymphe, gefüllt, in die die Dendriten von einer oder mehreren sensorischen Neuronen hineinragen.
Flüchtige Stoffe, die neuronale Signale auslösen, werden als Geruchs- oder Duftstoffe bezeichnet und müssen durch das hydrophile Medium der Sensillenlymphe transportiert werden. Wenn sie die Zellmembran des olfaktorischen Neurons erreichen, aktivieren diese Stoffe eine Gruppe von Transmembran-Proteinen, die sogenannten olfaktorischen Rezeptoren. Diese wurden als G-Protein-gekoppelte Rezeptoren mit 7 transmembranen Domänen erkannt. Sie aktivieren interne Signalkaskaden, die zur Bildung eines Aktionspotenzials führen.
Da ein Großteil der Duftstoffe hydrophob ist, wurde vorgeschlagen, dass spezifische Proteine, sogenannte duftstoffbindende Proteine (Odorant Binding Proteins, OBPs) für den Transport der Stoffe zur Membran des olfaktorischen Neurons verantwortlich sind. Diese Proteine wurden für einige Insektenarten nachgewiesen und sind, mit einigen Ausnahmen, nur in der Sensillenlymphe zu finden.
Bei den Lepidopteren wird zwischen pheromonbindenden Proteinen (Pheromone Binding Proteins, PBP) und generellen duftstoffbindenden Proteinen (General Odorant Binding Protein, GOBP) unterschieden. Die Anbindung der Duftstoffe an diese kleinen (12-15 kDa) löslichen Proteine scheint die Effizienz der Reizwahrnehmung zu erhöhen. Klassische OBPs sind durch 6 Cysteine in konservierten Positionen charakterisiert. Diese Cysteine sind für die Ausbildung von drei Disulphid-Brücken in jedem Protein-Monomer verantwortlich. Kürzlich wurde eine neue Familie von Proteinen, die sogenannten chemosensorischen Proteine (ChemoSensory Proteins, CSPs), beschrieben, die ähnliche chemosensorische Eigenschaften zeigen, aber nur 4 Cysteine besitzen und teilweise auch in nicht-chemosensorischen Organen exprimiert werden. Die genaue Funktion der OBPs und CSPs ist noch unklar.
Fragen wie die Folgenden können noch nicht beantwortet werden: Sind sie bei Insekten wirklich nötig um geruchliche Reize zu verarbeiten? Sind sie an der Selektivität der chemischen Erkennung beteiligt? Transportieren sie die Duftstoffe zu den Membran-Rezeptoren, oder beseitigen sie die Duftstoffe nach der Aktivierung der Rezeptoren?
Dank der genetischen Informationen, die für einige Insekten-Genome während der letzten Jahre verfügbar wurden, konnte eine Vielfalt von OBPs und CSPs beobachtet werden. Zum Beispiel wurden gefunden: Drosophila melanogaster (Diptera): 51 OBPs und 4 CSPs; Apis mellifera (Hymenoptera): 21 OBPs und 6 CSPs; Tribolium castaneum (Coleoptera): 47 OBPs und 21 CSPs.
Die Prozesse, die am Anfang der chemosensorischen Transduktion stehen, sind immer noch nicht vollständig aufgeklärt, auch wenn experimentelle Daten in Kombination mit theoretischen Modellen heute mögliche Mechanismen nahelegen.