Evolution der Sensillen und deren Verteilung an den Mundwerkzeugen der Insekten (Oliver Eikel)

Allgemeines zu Sinnesorganen der Arthropoda (Gliederfüsser)

Jedes Individuum muss sich in seinem Lebensraum orientieren und auf Veränderungen der Umwelt reagieren. Die Wahrnehmung von Reizen ist essentiell, um in dem speziellen Lebensraum leben und überleben zu können. Dies umfasst nicht nur das Finden geeigneter Nahrung oder eines geeigneten Fortpflanzungspartners sondern auch die Wahrnehmung von Fressfeinden, Beurteilung der Nahrung, die Wahrnehmung veränderter Umweltbedingungen, Lage und Orientierung des eigenen Körpers im Raum und viele andere Aspekte.
Die bekannteste Gruppe von Reizen sind Lichtreize, die mit Hilfe von Photorezeptoren, z.B. Augen und Ocellen, wahrgenommen werden können. Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl anderer Reize, die von einem Individuum wahrgenommen werden können. Die Mechanorezeption umfasst die Wahrnehmung mechanischer Reize, z.B. Druck, Vibrationen oder Luft- und Wasserströmung. Auch die Wahrnehmung körpereigener Reize, z.B. die Lage der Beinglieder zueinander oder innerer Druck fällt in diese Kategorie. Ein weiterer großer Bereich ist die Wahrnehmung chemischer Reize als Chemorezeption zusammengefasst. Geeignete Nahrung bzw. Nahrungsquellen müssen aus großer Entfernung wahrgenommen werden bzw. direkt beim Fressen beurteilt werden. Ein bekanntes Beispiel der Chemorezeption ist die Wahrnehmung von Pheromonen, die in vielen Tiergruppen der Kommunikation dienen. Allerdings können über Chemorezeptoren nicht nur anziehende sondern auch abschreckende Stoffe wahrgenommen werden. Die Thermorezeption umfasst die Wahrnehmung von Temperatur und deren Veränderungen sowie die Wahrnehmung von Körperwärme, was besonders für parasitische Formen, z.B. Läuse, wichtig ist. Die Hygrorezeption umfasst die Wahrnehmung von feinen Feuchtigkeitsunterschieden im Lebensraum.

Taster_Mundwerkzeuge _Philopotamus_variegatus
Abb. 2: Taster der Mundwerkzeuge von Philopotamus variegatus, Trichoptera (Köcherfliegen) im Detail; 2000x, Maßstab 10µm.

Bei den Arthropoda (Tardigrada, Onychophora, Spinnentiere, Tausendfüsser, Krebse und Insekten) wird die Sinneswahrnehmung hauptsächlich von einzelnen Strukturen gewährleistet, sog. Sensillen, die als Sinnesorgane auf der ganzen Körperoberfläche auftreten können, wobei sie an den Körperanhängen, z.B. Antennen, Mundwerkzeuge oder Laufbeinen, besonders zahlreich vorkommen.
Die verschiedenen Sensillen können innerhalb der Arthropoda und sogar bei einem Individuum sehr variabel aussehen, allerdings gibt es auch Gemeinsamkeiten. Meist sind haarförmige Strukturen ausgebildet, die unterschiedliche Längen aufweisen. Es können aber auch z.B. borstenförmige, flaschenförmige, zapfenähnliche, kugelige, flache oder in eine Grube versenkte Sensillen ausgebildet sein. Jedes Sensillum wird von ein oder mehreren Sinneszellen innerviert und reagiert auf spezifische Reize.

Mundwerkzeuge_Forficula_auricularia
Abb. 3: Taster der Mundwerkzeuge von Forficula auricularia, Dermaptera (Gemeiner Ohrwurm, Ohrwürmer) im Detail; 2000x, Maßstab 10µm.