Titel des Dissertationsprojekts
Die Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa - Eine Untersuchung der so genannten Modernisierungsverlierer-These

Etwa seit Mitte der achtziger Jahre hat sich in den meisten Ländern Westeuropas eine Gruppe von Parteien herausgebildet, die beachtliche elektorale Erfolge erzielen und – etwa in Italien, Österreich und der Schweiz – bereits Regierungsverantwortung übernommen haben. Diese rechtspopulistischen Parteien zeichnen sich phänomenologisch durch charismatische Führerfiguren, das Angebot einfacher Lösungen für komplexe gesellschaftliche Probleme, eine Frontstellung gegenüber dem politischen Establishment und die Schaffung neuer kollektiver Identitäten durch die Abgrenzung gegenüber Minderheiten und den Appell an diesbezügliche Sentiments und Ressentiments aus. Angesichts ihres Erfolges stellt sich die Frage, ob es länderübergreifende Erfolgsbedingungen für dieses Phänomen gibt.

Aufgabe des Dissertations-Projekts soll es sein, die so genannte „Modernisierungsverlierer-These“ für die rechtspopulistischen Parteien in Westeuropa empirisch zu überprüfen. Nach dieser These befinden sich westliche Industriegesellschaften in einem ständigen ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Wandel, der von ihren Mitgliedern immer wieder Anpassungsleistungen abverlangt. Objektive oder zumindest subjektiv wahrgenommene ökonomische Marginalisierung, drohender Statusverlust und soziale Exklusion wirken nach dieser These auf das Individuum ein, führen zu Handlungsunsicherheiten, Ohnmachts- und Vereinzelungserfahrungen und schlussendlich zur Ausbildung autoritärer Prädispositionen. Die eigenen Minderwertigkeitsgefühle werden psychologisch durch Überlegenheitsgefühle gegenüber Minderheiten („outgroups“) und einem radikalen Nationalismus kompensiert. Politische Unzufriedenheit wirkt quasi als Katalysator für die Aktivierung dieser ideologischen Prädispositionen und kann zur Nachfrage von autoritären Politikangeboten führen, denen rechte Parteien und Bewegungen nachkommen.

Die Modernisierungsverlierer-These wurde schon zur Erklärung der Wahlerfolge der NSDAP in den frühen 30er Jahren verwendet und ist seitdem auch auf andere rechte Phänomene bezogen worden. Fraglich ist, ob sie sich auch auf die rechtspopulistischen Parteien in Westeuropa übertragen lässt. Aktueller theoretischer Hintergrund der Übertragbarkeitsvermutung sind Thesen von Dahrendorf und Heitmeyer, die als Folge der unter dem Schlagwort „Globalisierung“ zusammengefassten Modernisierungsprozesse die Welt an der „Schwelle zum autoritären Jahrhundert“ (Dahrendorf) sehen bzw. die Ausbildung eines neuen „autoritären Kapitalismus“ (Heitmeyer) befürchten: Sozioökonomische, kulturelle und politische Fragmentierung, eine fortschreitende Individualisierung sowie ein dadurch bedingtes Auseinanderbrechen klassischer Milieus führen hiernach bei vielen „Opfern“ dieser Entwicklung zu einer Ausbildung autoritärer Persönlichkeitsmuster und einer Rigidität im Denken, die wiederum nach autoritären Politikangeboten verlangt. Diesem Angebot kommen die rechtspopulistischen Parteien nach, was ihren elektoralen Erfolg erklärt. Von diesem theoretischen Hintergrund ausgehend lässt sich die Arbeitshypothese formulieren, dass rechtspopulistische Parteien in Westeuropa in überzufälligem Maße von Modernisierungsverlierern gewählt werden. Diese Hypothese soll mithilfe verschiedener bi- und multivariater statistischer Verfahren anhand bereits existierender Datensätze empirisch überprüft werden.