Titel des Projekts:
Theorie der Politik und des Marktes in den Theorien des klassischen Liberalismus

Den zu untersuchenden Gegenstand dieses Forschungsprojekts bildet das Verhältnis von "Theorie der Politik" und "Theorie des Marktes" innerhalb des Theorieparadigmas des klassischen Liberalismus. Schwerpunktmäßig soll dieses Verhältnis in den Theoriekonstruktionen der Vertreter der schottischen Aufklärung untersucht werden (D. Hume, A. Smith, A. Ferguson, J. Millar). Die Resultate des Projekts sollen in einem geplanten Projekt über das Verhältnis von Wirtschaft und Politik in paradigmatischen Theorien der Aufklärungsphilosophie integriert werden.

Der Blickwinkel der Untersuchung ergibt sich aus einem doppelten Erkenntnisinteresse. Einerseits verfolgt die Arbeit ein ausgesprochen materiales, an den Inhalten der Theorien orientiertes Interesse. Dieses ergibt sich nicht zuletzt aus dem Interesse an der Kritik der ideologischen Instrumentalisierung der Theorien des klassischen Liberalismus (vor allem Adam Smiths) seitens des modernen Neoliberalismus. Zu beantwortetende Fragen sind in dieser Hinsicht: Welche sind die "wesentlichen" Merkmale moderner Gesellschaften bzw. wie, durch welche inhaltliche Elemente und durch welche Formelemente wird im Rahmen dieser Theorien der Typus der "modernen", "bürgerlichen Gesellschaft" konstituiert? Welche Typen des sozialen Handelns werden eingeführt (kollektives/individuelles, politisches/ökonomisches, egoistisches/altruistisches Handeln usw.), und woran orientiert sich deren Differenzierung? Wie, nach welchen inhaltlichen Prinzipien und nach welchen formellen Kriterien, wird die Unterscheidung/Ausdifferenzierung von Markt und Politik, also des (des individuell-ökonomischen Handelns) und des staatlichen ökonomischen Bereichs (des kollektiv-politischen Handelns) eingeführt? Was macht das "Wesen", die wesentlichen Bestimmungen, die spezifische Rationalität des Ökonomischen bzw. des Politischen aus? Wie wird das Verhältnis der beiden Sphären zueinander inhaltlich bestimmt (Minimal- und Nachtwächterstaat vs. Staatsinterventionismus)? Die Beantwortung von solchen Fragen scheint aber im Rahmen dieser Theorien mit moralisch/ethischen bzw. normativ orientierten Fragen, etwa nach dem gerechten Handeln, der guten Politik usw., verbunden zu sein. Insofern wird der normative Rahmen dieser Theorien ebenfalls mituntersucht. Die Untersuchung und Rekonstruktion von solchen Verbindungen, d.h. Verbindungen, die bei der Analyse gesellschaftlicher Phänomenen die beschreibende/erklärende mit der bewertenden/beurteilenden Ebene koppeln, versprechen Aufschluß über grundlegende methodologische und epistemologische Probleme der heutigen sozialwissenschaftlichen Theoriebildung.

Insofern läßt sich das zweite, das Forschungsprojekt leitende Erkenntnisinteresse als ein methodologisches und wissenschaftstheoretisches charakterisieren. Im Mittelpunkt des Interesses steht hier der jeweilige Typus der Theoriekonstruktion selbst, also die Frage nach dem Begründungstypus, der Konstitution des Gegenstands, der Methode und der "Logik" der Entwicklung der Kategorien, dem Verhältnis von Beschreibung, Erklärung und Beurteilung, der Problematik zwischen historischer und normativer Theoriebildung, sowie die Frage nach der Einheit des Gegenstands und die damit verbundene Frage nach der Einheitlichkeit und Verbindlichkeit der Theorie. Unter der im Rahmen dieser Arbeit zu klärenden und zu konkretisierenden Voraussetzung, daß die heutige sozialwissenschaftliche Theoriediskussion ebenso wie die Theorie des klassischen Liberalismus wesentlich auf den historischen Typus "moderner" Gesellschaften bezogen sind, lassen sich Ergebnisse erwarten, die für die Probleme der heutigen sozialwissenschaftlichen Theoriebildung von Interesse sind.

Vorgehensweise
Systematische Theorierekonstruktion und Theorienvergleich

Bezug zum Rahmenthema des Graduiertenkollegs
Die Arbeit untersucht die geistesgeschichtlichen Grundlagen des "europäischen Sozialmodells" in der Tradition des klassischen Liberalismus. Insbesondere wird die sehr verbreitete These vom methodologischen Atomismus und von der prinzipiellen Negation des staatlichen Interventionismus in den Theorien des klassischen Liberalismus als einer oberflächlichen und eklektizistischen Lektüre geschuldet zurückgewiesen. Angesichts des heute allgemein akzeptierten Defizits einer systematischen Theorie der Sozialpolitik ist eine solche Auseinandersetzung mit den Theorien des klassischen Liberalismus in methodologischer und epistemologischer Hinsicht für eine einheitliche Theorie des Sozialstaates und der Sozialpolitik von Interesse.