Biologie


Habitus


Ein kurzer Stamm mit einer sehr rauen, braun grauen, teilweise abgeplatzten Borke und einer gewölbten, manchmal auch wolkigen Krone prägen den Aufbau der 25 bis 30 m hohen Rosskastanie (vgl. Abb. 02 und 03).



Borke


Abb. 02: Borke


Krone der Rosskastanie


Abb. 03: Krone der Rosskastanie


Auf ihren Zweigen sieht man oft helle Korkwarzen und besonders im Winter sind die großen, klebrigen Knospen zu sehen (Roloff u. Bärtels 2008). Unterhalb der glänzenden Knospen sitzen die Blattnarben der abgefallenen Blätter, welche groß und hellkorkfarbig sind (vgl. Abb. 04). Auf den Blattnarben ist ein „Bogen von 3 bis 9 Blattspuren“ zu sehen (Godet 2008). Im Gegensatz zu den breit kegelförmigen Endknospen sind die Seitenknospen eher spitz-oval und dem Zweig entweder anliegend oder abstehend. Die Knospenschuppen sind kahl und vom Knospenleim glänzend (Godet 2008). An den breiten, charakteristischen Blattnarben und den großen klebrigen Endknospen kann man die Rosskastanie im Winter gut erkennen (vgl. Abb. 04).


Knospe


Abb. 04: Knospe


Im Frühjahr entwickeln sich aus den Knospen die gefingerten Blätter (vgl. Abb.06). Die einzelnen, länglichen bis eiförmigen Blättchen ergeben zu 5. bis 7. ein Blatt. Dieses Blatt kann eine Länge von 10 bis 25 cm erreichen (Roloff u. Bärtels 2008). Man nennt die einzelnen Blättchen auch Fiedern, die Fieder in der Mitte ist immer auch die größte (Alexandrov 1996). Im oberen Drittel sind die Blättchen am breitesten, dann spitzen sie sich zu. An der Basis, also an der unteren Seite, sind sie keilförmig. Der Rand der Blättchen ist doppelt gesägt bis buchtig gelappt. Wendet man die Blätter, erscheinen sie von unten heller, ebenso kann man an den jungen Trieben einen wolligen, braunen Pelz erkennen. Der bis zu 20 cm lange Stiel verbindet das Blatt mit dem Zweig (Roloff u. Bärtels 2008)(vgl. Abb. 05).


Gefingertes Blatt


Abb. 05: Gefingertes Blatt


Am Stamm austreibende Knospen


Abb. 06: Am Stamm austreibende Knospen





Blüten


Von Mai bis Juni treiben aus den Blütenknospen die vielblütigen, endständigen Rispen aus. Die einzelne Blüte hat 4 oder 5 Kronblätter und 5 bis 9 Staubblätter, welche auf einem Diskus sitzen (Cafferty 2008). „Der Fruchtknoten ist dreiteilig mit je zwei Samenanlagen und einem Griffel“ (Cafferty 2008). An einer polygamen Rispe gibt es sowohl zwittrige wie männliche Blüten (Cafferty 2008)(vgl. Abb. 07).


Blütenrispe


Abb. 07: Blütenrispe


In den Blütenkronblättern der Rosskastanie kann man aber auch eine hier nach Heß (1983) beschriebene Besonderheit beobachten; sie verfügt über bestimmte Farb- und Duftmale und eine Zone der UV-Absorption, um Bienen und Hummeln zur Bestäubung anzulocken (vgl. Abb. 08). Bienen sind UV-sichtige Insekten und können reflektierende von UV-Absorptionszonen unterscheiden. Diese Duftmale, UV-Zonen und Farbareale dienen dazu, die Bienen zum Blüteninneren zu leiten, damit sie dort die Blüten bestäuben. Als Anreiz für die Bestäubung signalisiert die gelbe Blütenfärbung Nahrung in Form von Nektar. Der Farbwechsel von Gelb zu Rot wird von einem Duftwechsel begleitet.


Rotes- und gelbes Farbmal


Abb. 08: Rotes- und gelbes Farbmal


Die Farbabfolge entsteht durch ein Ersetzen der gelben Carotinoide durch rote Anthocyane in den Zellen der Epidermis. Mit dem Farb- und Duftwechsel geht die Einstellung der Nektarproduktion einher. Dies ist eine Codierung für die bestäubenden Bienen und Hummeln und signalisiert, dass sich der Blütenbesuch nicht mehr lohnt (Heß 1983).

Keimung und Frucht


Die im Herbst aus dem Fruchtknoten entstehende Fruchtkapsel (vgl. Abb. 09) ist oft stachelig und bringt 1 oder bis zu 3 große, glänzende Samen hervor, die Kastanien (Cafferty 2008). Der helle, gut zu erkennende Fleck auf dem Kastaniensamen wird sowohl Nabel, als auch Hilum genannt. Wird eine Samenanlage befruchtet, entwickelt sie sich zu einem Samen. Dieser Samen setzt sich aus der Samenschale, dem Nährgewebe und dem Embryo zusammen (Kadereit 2008). Die Abrissstelle des Samens von dem ihn versorgenden Pflanzenorgan (dem sogenannten Funiculus), ist der Samennabel (das sogenannte Hilum) (Kadereit 2008).


Stachelkapsel


Abb. 09: Fruchtkapsel


Diese Samen werden in den Baumschulen im Herbst oder, nach einer kühlen und feuchten Lagerung über den Winter, im Frühjahr gesät. Sie werden mit dem Nabel in Richtung Erde in Rillen gelegt, um daraus wieder neue Bäume entstehen zu lassen (Bärtels 1995)(vgl. Abb.10).


Austreibende Kastanien


Abb. 10: Austreibende Kastanien


Die Samen keimen hypogäisch, das bedeutet, dass die „Samenschale und die Keimblätter im Boden bleiben“ und dass „nur der Spross [aus dem Boden herauswächst]“ (Bärtels 1995). Die zunächst gebildete Pfahlwurzel bildet sich nach Alexandrov (1996) mit der Zeit zurück und wird dann durch Seitenwurzeln ersetzt. Diese Wurzeln können bis zu 8 m tief in den Boden wachsen und sich 15 bis 20 m um den Baum herum ausbreiten.
Bäume gehen häufig mit Pilzen im Wurzelraum eine Symbiose ein. Dies bedeutet, dass sich das Myzel des Pilzes um die Wurzeln des Baumes herumbildet und durch eine größere Aufnahmefläche zur Verbesserung Wasser- und Nährstoffversorgung des Baumes beiträgt (Schwantes 1996). Der an der Symbiose beteiligte Baum liefert dem Pilz im Gegenzug organische Substanzen zur Versorgung des Energie- und Stoffhaushaltes (Schwantes 1996). Dieses Zusammenleben von Baum und Pilz wird Mykorrhiza genannt (Schwantes 1996). Je nach Wirtspflanze und Pilz gibt es sehr viele Formen der Mykorrhiza. Die Rosskastanie bildet eine sogenannte endotrophe Mykorrhiza (Blaschke 2005), bei dieser Form dringen die Hyphen des Pilzes in die Wurzelzellen des Baumes ein (es wird kein „Hyphenmantel“ gebildet) (Schwantes 1996).