Wirtschaftspolitisches Forum
China und der internationale Schutz des geistigen Eigentums
Die Volksrepublik China verstößt gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) im Bereich des geistigen Eigentums. Das hat auf Antrag der USA am 26. Januar ein Streitschlichtungspanel der WTO festgestellt (WTO Doc. WT/DS362/R), gegen das China allerdings noch die Berufungsinstanz bemühen kann. In der Sache wurde die Berechnung von Umsatz und Gewinn bei der Verfolgung gewerbsmäßiger Urheberrechts- und Markenpiraterie und die Berechtigung der Zollbehörden gerügt, beschlagnahmte Waren nicht zu zerstören oder zu entsorgen, sondern auch an Wohlfahrtsorganisationen weiterzugeben oder an den geprellten Rechtsinhaber zu verkaufen. Besonders hervorzuheben ist die Kritik an der Regelung des § 4 des chinesischen Urheberrechtsgesetzes, die den Schutz von Werken ausschließt, deren Veröffentlichung oder Verbreitung verboten ist. Der hier zutage tretende und in dem Verfahren letztlich nicht ganz geklärte Zusammenhang zwischen Urheberrecht und Zensur ist einigermaßen kurios, weil in der Konsequenz diejenigen Werke, deren Veröffentlichung und Verbreitung unerwünscht ist, als gemeinfrei angesehen werden. Ganz abgesehen von den grundsätzlichen Fragen, die sich hier stellen, erscheint die Regelung unnötig, weil im Recht des geistigen Eigentums sehr wohl zwischen dem Bestand des Rechts und der Rechtmäßigkeit der von ihm geschützten Handlungen unterschieden werden kann und wird. Mit dem Verfahren dürfte die Kritik an dem chinesischen Recht des geistigen Eigentums kaum erschöpft sein. So wird unter anderem immer wieder auf die Tücken der gerichtlichen Durchsetzung hingewiesen. Allerdings läßt sich ebensowenig übersehen, dass hier auch ein großer Erfolg sichtbar wird. Dass nur noch über solche vergleichsweise detaillierten Fragen gestritten wird und dass dies vor einer internationalen Gerichtsinstanz geschieht, ist ein überwältigender Erfolg, den vor zehn Jahren noch kaum jemand vorausgehen haben dürfte.
Die Entwicklungen in China sind Teil einer weltweiten Tendenz zur Vereinheitlichung und Verstärkung des Schutzes geistigen Eigentums. Letzterer war zu Zeiten des Nord-Süd-Konflikts heftig umstritten und entsprach seit Jahren kaum mehr den gewachsenen Anforderungen einer globalen Wissensgesellschaft. Diese Blockade konnte mit der Integration des Themas in das internationale Handelssystem mit der Gründung der WTO im Jahre 1995 und den damit gegebenen Möglichkeiten einer Kompensation, insbesondere beim Marktzugang, überwunden werden. Allerdings darf man auch die Schattenseiten dieser Entwicklung nicht übersehen. Die Regeln der WTO orientieren sich an dem Schutzniveau von Industrieländern und fordert in vielen Entwicklungsländern einen trotz langer Übergangsfristen tief greifenden Strukturwandel. Auch die politische Verbindung zwischen dem geistigen Eigentum und Handelsfragen ist nicht in allen Zeiten ein Gewinn. Die Krise der Doha-Runde der WTO und besonders der Verhandlungen zum Agrarhandel blockiert auch Fortschritte im Bereich des geistigen Eigentums, weil alle Verhandlungsbereiche zusammen verhandelt und abgeschlossen werden müssen.
Mit dem starken weltweiten Schutz geistigen Eigentums im Form von Patenten und Urheberrechten stellen sich neue Fragen. Die nunmehr so wirksam geschützten technischen Innovationen und immateriellen Güter machen sich oft ungefragt Leistungen in der Pflanzen- und Tierzucht, traditionelles medizinales Wissen und Kulturgut zunutze. Deswegen werden Rechte von Bauern und traditionellen und lokalen Gemeinschaften an ihren Leistungen eingefordert. Allerdings ist fraglich, ob es sinnvoll ist, aus Gründen der Gerechtigkeit immer weitere Schutzrechte einzuführen. Am Ende könnte durch diese Entwicklung, aber auch durch die hohen internationalen Schutzstandards das in Gefahr geraten, was für Wissenschaft, Technologie und Kultur ebenso wichtig ist: der Schutz eines von Aneignung freien Raums der Schaffung und Nutzung von Wissen und Kultur zum Wohle der Gesellschaft und als Quelle gerade auch der weiteren kommerziellen Entwicklung. Es müssen deshalb auch andere Formen der Anerkennung, Beteiligung und Zusammenarbeit erwogen werden. Aus dieser Perspektive erscheint die Entscheidung der WTO gegen China in einem anderen Licht: Es zeigt sich, dass die weitere Entwicklung dieses Rechtsbereiches auf historisch beispiellosem Niveau nicht allein von der Beseitigung von Defiziten abhängt, wie sie in der Entscheidung namhaft gemacht werden. Neben einer solchen Perfektionierung ist dringend eine Verständigung auch über den gesellschaftlichen Nutzen und die Grenzen des geistigen Eigentums auf internationale Ebene erforderlich, um seine Akzeptabilität und Stabilität zu gewährleisten.