Prof. Dr. Elke Brendel

Von Oktober 2011 bis Juli 2012
Dr., Professorin für Philosophie, Lehrstuhl für Logik und Grundlagenforschung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland

Geboren 1962 in Frankfurt am Main, Deutschland
Studium der Philosophie in Frankfurt am Main und an der FU Berlin



Forschungsvorhaben
Kontexte und relative Wahrheit in Erkenntnis- und Sprachphilosophie

Während relativistische philosophische Positionen häufig als methodisch unklar, irrational, inkohärent oder sogar als selbstwiderlegend zurückgewiesen wurden, ist gegenwärtig eine Renaissance relativistischen Denkens in der analytischen Philosophie zu verzeichnen. Vertreter der Forschungsrichtung des so genannten „Neuen Relativismus“ versuchen, relativistische Semantiken etwa für Wissenszuschreibungen und epistemische Modalausdrücke, für kontingente Zukunftsaussagen sowie für ethische, ästhetische und evaluative Prädikate mit Mitteln der formalen Sprachphilosophie zu entwickeln. Diese neuen relativistischen Ansätze wollen nicht nur linguistisch adäquate formale Modelle für natürlichsprachliche Ausdrücke liefern, sondern darüber hinaus auch zentrale traditionelle philosophische Probleme lösen, wie z. B. das Problem des Wissensskeptizismus oder metaphysische und logische Probleme bei Fragen über die Wahrheit zukünftiger Aussagen.
Relativistische Positionen unterscheiden sich je nach Art der behaupteten Kontextrelativierung. Beispielsweise ist ein Satz indexikalisch in Bezug auf den Sprecherkontext, wenn er verschiedene Propositionen in verschiedenen Sprecherkontexten ausdrückt. Ein Satz ist im nicht-indexikalischen Sinne kontextsensitiv in Bezug auf den Sprecherkontext, wenn er zwar in jedem Sprecherkontext dieselbe Proposition ausdrückt, jedoch einen vom Sprecherkontext abhängigen Wahrheitswert besitzt. Im radikalen Wahrheitsrelativismus wird behauptet, dass wahrheitsrelative Sätze weder indexikalisch sind noch in ihrer semantischen Variabilität vom Sprecherkontext abhängen. Vielmehr muss ihr Wahrheitswert auf eine zusätzliche Bewertungsperspektive relativiert werden. Auf diese Weise versuchen Vertreter des Wahrheitsrelativismus u. a. das Phänomen der so genannten „fehlerfreien Meinungsverschiedenheit“ zu erklären.
In dem Forschungsvorhaben soll es vor allem darum gehen, diese gegenwärtige relativistische Strömung in der analytischen Philosophie weiterzuentwickeln sowie deren Möglichkeiten und Grenzen zu untersuchen. Hierbei sollen Forschungsstränge aus den Bereichen der philosophischen Erkenntnis- und Sprachphilosophie sowie aus den Bereichen linguistischer Semantik- und Pragmatiktheorien systematisch zusammengeführt werden. Insbesondere sollen die verschiedenen Arten der Kontextrelativierung vor dem Hintergrund formaler Semantiktheorien sowie Theorien zur Semantik-Pragmatik-Schnittstelle analysiert und für die philosophischen Debatten fruchtbar gemacht werden.


Ausgewählte Publikationen

Brendel, E./Meibauer, J./Steinbach, M. (eds.). 2011. Understanding Quotation. Berlin/New York: Mouton De Gruyter.

Brendel, E. 2009. «Contextualism, Relativism, and Factivity» in: H. Leitgeb/A. Hieke (eds.): Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences. Frankfurt am Main: ontos, pp. 155-176.

Brendel, E. 2007. «Kontextualismus oder Invariantismus? Zur Semantik epistemischer Aussagen» in: A. Rami/H. Wansing (eds.): Referenz und Realität. Paderborn: mentis, pp. 11-28.

Brendel, E./Jäger, C. (eds.). 2005. Contextualisms in Epistemology. Dordrecht: Springer.

Brendel, E. 1999. Wahrheit und Wissen. Paderborn: mentis.