EUROCULTURE 1999/2000 (Göttingen, Uppsala) B

Euroculture - Erfahrungsbericht 1999 / 2000


by Michael Koß




1. Das Semester in Göttingen
Mit dem ersten Semester in Göttingen war ich rundum zufrieden. Euroculture stellte für mich deshalb keine große Umstellung dar, da ich ohnehin drei der fünf teilnehmenden Fächer studiere und es als Magister-Student gewohnt bin, mir meinen eigenen Stundenplan zusammenzustellen. Deshalb war es diesmal sogar eher einfacher für mich, da die Auswahl an Veranstaltungen durch den Euroculture - Vorlesungskommentar eingegrenzt war. Im Nachhinein ärgere ich mich etwas, mich nicht intensiver mit den Fächern, die ich nicht studiere, auseinandergesetzt zu haben (Theologie und Germanistik).

Andererseits war jedoch die Zeit recht knapp, da ich die nötigen Scheine in der Vorlesungszeit abhaken wollte (in Schweden war ich dann sehr froh, nicht noch eine Hausarbeit für Göttingen schreiben zu müssen). Außerdem habe ich noch den Schwedischkurs vom Seminar für Skandinavistik besucht, den ich sehr empfehlen kann. Da ist einiges zu tun (6 SWS, die komplette Grammatik in einem Semester), aber es hat Spaß gemacht (witzige und für Deutsche relativ leicht zu lernende Sprache) und sich für Schweden gelohnt. Um am Ende nicht in Panik zu geraten, empfiehlt es sich, so früh wie möglich die ersten Anforderungen erledigen (z.B. das Referat).

Sehr gut fand ich, daß das gesamte Semester durch Kolloquium und Tutorium zusammengehalten wurde. Irgendwie ergänzte sich dadurch im Laufe der Zeit alles, Themen aus den Seminaren tauchten hier wieder auf und wurden vertieft – man könnte glatt annehmen, daß alles so geplant war. Auch die Vorträge der Vertreter der einzelnen Fächer im Kolloquium waren meist hilfreich (wer allzu dreist an Thema und Studenten vorbeiredet, sollte einfach permanent mit Fragen “zurückgeholt” werden). Das Tutorium war deshalb besonders wichtig / sinnvoll /gut, weil es nicht nur inhaltlich einiges gebracht hat, sondern wir dort auch recht schnell (nicht zuletzt dank Andreas Initiative) zu einer Gruppe geworden sind, die sowohl zur Sache diskutieren als auch Spaß haben konnte. Auf keinen Fall sollte man sich einen Tequilaabend bei Andrea entgehen lassen!

Was noch? Es kann nie schaden, einem Dozenten einmal zuviel zu erklären, was Euroculture ist, warum man einen benoteten Schein für ein Referat braucht, daß man im Prinzip normal am Seminar teilnimmt, obwohl man nicht das betreffende Fach studiert... Das war für viele nicht so einfach. Bei der Überlegung des Themas für das Intensivkurspaper sollte man auf jeden Fall berücksichtigen, ob es dazu an der ausländischen Uni genügend Material gibt, um das Paper fortzusetzen, sprich zum Master-Essay auszubauen. Wer nach Schweden geht, kann dazu z.B. Kontakt zu Peter Södergård (peter.sodergard@relhist.uu.se) aufnehmen, der in Uppsala Euroculture koordiniert. Ich war sehr froh, die Anregungen vom Intensivkurs in den Essay einfließen lassen zu können (die Diskussion meines Papers während des Intensivkurses hat maßgeblich dazu beigetragen, daß ich meine Thesen nahezu vollständig revidiert habe). Jetzt sind wir aber schon beim nächsten Punkt.


2. Der Intensivkurs in Sigtuna
Hier beschränke ich mich auf die Arbeitsorganisation, da Stadt und Unterbringung Euch ja kaum interessieren. Zu letzterem nur soviel: Es war unglaublich nobel. Aufgrund des vorzüglichen Caterings verkamen die einzelnen Arbeitssitzungen bisweilen zu Kunstpausen zwischen den Mahlzeiten, was einerseits den Gang der Forschung hemmte, andererseits aber fantastisch war.

Schade beim Intensivkurs war, daß (zumindest auf Seiten der Studis) die Internationalität des Programms etwas auf der Strecke blieb: Sieht man von einem versprengten Niederländer ab, lauschten nur Studierende aus Uppsala und Göttingen den (aus allen fünf Ländern kommenden) Dozenten. Deren Vorträge hatten, um es vorsichtig zu formulieren, nicht in jedem Fall sofort erkennbare Bezüge zu unserem Oberthema ”The Cultural Impact of Migration in Europe”. Auch der Informationsgehalt der Vorträge erschien mir bisweilen fraglich.

Wesentlich besseren Zugang hatte ich jedoch zum zweiten Hauptteil des Intensivkurses, der Präsentation der Paper. Dazu wurden zwei jeweils von zwei Dozenten geleitete Gruppen gebildet. Da es auch beim besten Willen unmöglich ist, alle Paper für den Intensivkurs zu lesen, sollte man versuchen, in eine Gruppe zu gelangen, in der solche Paper besprochen werden, die dem eigenen thematisch ähneln (da schon die Dozenten die Gruppen nach diesem Kriterium zusammenstellen, dürfte das kein Problem sein). Daß ich von der Diskussion meines und auch der anderen Paper sehr profitiert habe, habe ich ja bereits erwähnt. Diesen Teil des Intensivkurses fand ich deshalb sehr gelungen. Nun aber zur Hauptsache.


3. Uppsala!
3.1. Stadt, Land und Leute
Schön ist es in Uppsala: alte, traditionsreiche Unistadt, eher klein, alles ganz behaglich, nicht unbedingt völlig am Puls der Zeit, durchaus mit Göttingen zu vergleichen. Die kulturelle Differenz zwischen Deutschland und Schweden ist alles andere als unüberwindlich. Sich in der Stadt einzuleben fällt entsprechend leicht. Daß “die Schweden” verschlossener sind als andere, ist mir so nicht aufgefallen, auch wenn Leute kennenlernen nicht so einfach ist, weil man ja nur mit Eurocultureteilnehmern Veranstaltungen besucht. Schließlich gibt es aber ja noch das Wohnheim und die Nation (siehe 3.3.)

Kleiner Tip an alle, die sich auch äußerlich flott assimilieren wollen: Einfach in Göttingen schon mal zu H&M gehen und den ganzen Fashion-Plunder kaufen. Schweden wird nämlich nahezu ausschließlich von “Hennes-Puppen” (K. Eskola) besiedelt. Wer mal schnell aus Uppsala raus will, ist mit dem Bus flott und günstig in Stockholm, wo es auch sehr schön ist und natürlich wesentlich urbaner hergeht.

Apropos günstig: Außer der besagten Buslinie, der Fähre nach Finnland (nur ca. 30,- hin und zurück!) und Kartoffeln ist nichts günstig in Schweden (H&M und Ikea sind zugegebenermaßen ähnlich billig wie in Deutschland). Neu eingetroffene Gaststudenten sind in Supermärkten sehr einfach an ihrem panisch verzerrten Gesichtsausdruck zu erkennen. Für eine Woche versucht fast jeder, es nur mit Nudeln und Tomatensauce zu schaffen. Nach einiger Zeit legt sich das und man entkrampft mehr und mehr. Wenn z.B. das erste Buch (für unter 50,- DM gibt es meines Wissens nur das schwedische Äquivalent zum Pixiebuch) gekauft oder der erste Longdrink getrunken (zu Alkohol, eigentlich mehr Thema für eine eigenständige Monographie, siehe 3.3.) ist, ist eine kritische Phase überstanden. Aber Ihr seid ja auch nicht zum Trinken da.


3.2. Studieren in Uppsala
Das geht sehr gut! Noch immer entzückt bin ich von der Bibliothek, die wirklich einiges hat, u.a. auch in Göttingen längst abbestellte deutschsprachige Fachzeitschriften. Neben der Hauptbib (“Carolina”) gibt es viele Institutsbibliotheken, ganz wie in Göttingen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das Computersystem ohne eine Einführung verstanden hätte. Da sollte man auf jeden Fall Gorel fragen, ob sie wieder eine organisiert. Jetzt aber der Reihe nach.

Für Euroculture wichtig sind erstmal drei Personen der theologischen Fakultät, die in Uppsala alles managt: Carl Reinhold Brakenhielm (Prof, der Guru im Hintergrund), Peter Södergård (Koordinator, u.a. mündlicher Prüfer) und vor allem besagte Gorel Tunerlov als stets sehr hilfsbereite Ansprechpartnerin für alles (mit uns hat sie z.B. am Anfang die wenigen nötigen Behördengänge erledigt). Wer nach dem Lesen von drei Erfahrungsberichten immer noch Bammel vor großen Unklarheiten in Schweden hat, verliert diesen spätestens nach einem Gespräch mit Gorel.

Grundsätzlich gliedert sich der Aufenthalt in Uppsala in zwei Phasen: Nach den Vorlesungen (ca. 4 Wochen) hat man die restliche Zeit frei für den Essay (Abgabe war bei uns der 9. Juni). Da die Vorlesungen ebenso wie die mündliche Prüfung hauptsächlich die Geschichte des Ostseeraumes behandeln, ist es sinnvoll, die Mündliche mehr oder weniger direkt nach den Vorlesungen abzulegen, um dann wirklich Zeit für den Essay zu haben. Die Vorlesungen waren nahezu ausschließlich sehr interessant und reichen an sich schon als Vorbereitung auf die Prüfung aus (Peter gibt jedoch außerdem noch eine Bücherliste aus, insbesondere die beiden Bücher über das Mittelalter bzw. die Frühe Neuzeit sollte man jedoch nur aus persönlichem Interesse, nicht als Vorbereitung lesen, da sie viel zu speziell sind).Eine sicherlich gute Vorbereitung auf die Mündliche wäre es, sich die Geschichtsfragen der schwedischen Version von Trivial Pursuit anzuschauen, ich bin mir nämlich ziemlich sicher, daß Peter da seine Fragen her hat (”Michael, what happened on the 26th of August 1909?” - ”???”) Es geht also weniger um Strukturen und Prozesse als vielmehr schlichte Fakten. Wer sich mit der schwedischen Sozialdemokratie, dem Wohlfahrtsstaat und seiner Genese, Karl XII., Gustav Adolf und Gustav Wasa grundsätzlich auskennt (so wie diese halt in den Büchern behandelt werden) und dann noch eine Meinung hat, warum die Schweden der EU so skeptische gegenüberstehen, kann nicht durchfallen.

Was den Essay anbelangt, habe ich es wie erwähnt als überaus gut empfunden, daß ich mein Thema fortführen konnte. Wer Peter eine Freude machen will, läßt sich von ihm einen Tutor vermitteln - es geht aber sicherlich auch ohne. Ich habe den Fehler gemacht, mich auf eigene Faust an jemanden zu wenden. Dabei muß ein Vermittlungsproblem aufgetreten sein: Ich habe der Dozentin wohl nie klarmachen können, was es mit mir bzw. Euroculture auf sich hat, jedenfalls fühlte ich mich nicht immer perfekt betreut (“Ich habe hier ein Buch, das paßt genau zu ihrem Thema.” - “Oh toll, darf ich es ausleihen?” - “Nein, ich brauche es für mich selbst.” Schließlich durfte ich das wirklich gute Stück für drei Stunden zum Kopieren haben.) Auf jeden Fall hatten wir wirklich ausreichend Zeit für die geforderten 40 – 50 Seiten.

Das abschließende Kolloquium war dann sehr interessant: Jeder hat seinen Essay vorgestellt und gegen einen Opponenten verteidigt. Der leitende Dozent Carl Rundblom, ein Historiker, hat sich wirklich sehr viel Mühe gegeben, auf jede Arbeit einzugehen, so daß eine wirklich gute Abschlußdiskussion zustande kam.


3.3. Wohnen und Feiern
Untergebracht ist man in Flogsta, einer Hochhaussiedlung am Rande der Stadt (keine Panik, alles skandinavisch beschaulich, von sozialer Kälte keine Spur). Die Zimmer sind nett, eigenes Bad, die Küche teilt man sich mit den anderen (11) Flurbewohnern, hier kann man erste Kontakte zu Einheimischen herstellen und sich überhaupt einleben und feiern. Auf jedem Dach ist eine Sauna, die ebenso wie die Benutzung der Waschmaschinen kostenlos (!!!) ist, der (365 Tage im Jahr von 9 bis 22 Uhr geöffnete) Supermarkt ist um die Ecke, Herz, was willst Du mehr? Ein Fahrrad, denn sonst dauert es so 35 Minuten in die Stadt (Kinder von Großindustriellen können sich ein Monatsticket für den Bus leisten). Den Drahtesel bekommt man am günstigsten bei Niklas (6. Stock in Haus 4), der fast immer welche instandgesetzt hat und verkaufen will. Der Fahrradhändler von Flogsta ist ein ziemlicher Halsabschneider.

Jetzt noch was zu den Nations: Es gibt 13, jeder Student in Uppsala ist in einer, denn sie bestimmen das soziale Leben. Hier kann man mittags und abends essen, in die Kneipe und auf Parties gehen, Sport treiben, Singen und andere exotische Dinge mehr. Die Entscheidung für eine Nation bedeutet nicht, daß man das Angebot der anderen nicht mehr nutzen kann, einziger Vorteil ist, daß man zur Party der “eigenen” Nation jederzeit umsonst gehen kann, bei den anderen sind nach 21 Uhr ca. 10,- DM fällig. Deshalb würde ich meine Nation nach ihrer Musikrichtung aussuchen, ich war in “Kalmar”, und die hat mir sehr gut gefallen: klein, aber fein, samstags “klubbmusik”, donnerstags Konzerte (meist lokale Rockbands von teilweise zweifelhafter Qualität, aber hohem Unterhaltungswert). Ebenfalls generell empfehlenswert ist der Besuch eines sog. “gasques”, das sind mondäne Essen in den Nations, bei denen man aber mindestens Sakko, wenn nicht kompletten Anzug braucht (sie schmeißen sich oft und gern in Schale, die Schweden, vor allem die - Innen, da würde ich einiges an Klamotten mitnehmen).

Eine andere Vorliebe der typischen Nationbesucher ist der Alkohol. Nations zahlen keine Steuern auf Spirituosen, und wer nicht schon kräftig vorgeglüht hat, gibt sich dann dort zu (relativ) günstigen Preisen den Rest. Zum Spaß, d.h. in Maßen getrunken wird nur im Ausnahmefall, auf dem Nachhauseweg hangelt man sich dann auch gern mal an einem Gartenzaun lang. Auf Parties ist also eine hohe Zahl von Besuchern ganz schön voll - eine Meinung dazu solltet Ihr Euch am Besten selbst bilden.

Für weitere Fragen stehe ich natürlich stets zur Verfügung
Tel.: 4956454
Mail: michael_koss@yahoo.de