Morphologie und Phylogenie der Archostemata (Coleoptera) (PD Dr. Thomas Hörnschemeyer)

Priacma_serrata_TH_buntDie Archostemata sind mit nur 40 rezenten Arten die artenärmste der vier großen Teilgruppen der Coleoptera. Archostemata kommen zwar auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis vor, die Arten sind aber sehr ungleichmäßig verteilt. Die meisten Arten (22) finden sich in der ostasiatisch-australischen Region, in Europa kommt hingegen nur eine einzige vor. In früheren Epochen der Erdgeschichte waren die Archostemata zeitweise deutlich artenreicher. So sind Fossilien von mehreren hundert Arten bekannt, von denen sehr viele aus europäischen und sibirischen Fundstellen geborgen wurden (Ponomarenko 1969). Auch die ältesten als Coleoptera identifizierbaren Fossilien aus dem unteren Perm (Tshekardocoleus magnus Rhodendorf, 1944) sind in allen erkennbaren Merkmalen den rezenten Archostemata sehr ähnlich. Sie gehören aber nicht zum Monophylum der Archostemata, sondern zu einem frühen Seitenzweig der Coleoptera oder in deren Stammlinie, da es sich bei diesen Ähnlichkeiten um plesiomorphe Merkmale handelt (Beutel 1997).
Die Stellung der Archostemata innerhalb der Coleoptera war lange umstritten und ist es in gewissem Maße immer noch. Forbes (1922, 1926) fasste die damals bekannten Gattungen Omma, Cupes und Micromalthus als Archostemata zusammen, nachdem sie eine Odyssee durch verschiedene Gruppen der Adephaga und der Polyphaga durchgemacht hatten (Atkins 1958). Ob die Archostemata nun die Schwestergruppe aller anderen Coleoptera sind oder ob sie mit einem der anderen drei Taxa, Adephaga, Myxophaga oder Polyphaga, näher verwandt sind, wird bis heute kontrovers diskutiert (Atkins 1958, 1963, Kukalová-Peck & Lawrence 1993, Hörnschemeyer 1998, Beutel & Haas 2000, Caterino et al. 2002, Leschen & Beutel 2004). Die Stellung an der Basis der Coleoptera erscheint zur Zeit aber als am besten begründet (Beutel & Haas 2000).
Die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten der Archostemata wurden bisher nur von Hörnschemeyer (2009) mit den Methoden der phylogenetischen Systematik nach Hennig (1982) untersucht. Übersichten über die bekannten Arten mit kurzen Beschreibungen und Angaben zu Fundorten finden sich bei Neboiss (1960) und Atkins (1963). Cupes wurde von Neboiss (1984) revidiert. Er beließ nur Cupes capitatus Fabricius, 1801, die Typusart, in dieser Gattung und stellte die restlichen 21 Arten in fünf neue Gattungen. Dabei nutzte er zum ersten Mal die Morphologie des Aedoeagus, um ähnliche Arten zusammenzufassen. Eine phylogenetische Analyse wurde allerdings nicht durchgeführt. Beutel & Hörnschemeyer (2002a, b) und Hörnschemeyer et al. (2002, 2006) untersuchten die Verwandtschaftsbeziehungen der Gattungen der Archostemata mit phylogenetischen Methoden auf der Grundlage morphologischer Daten. Dabei gingen nur bei Hörnschemeyer et al. (2002, 2006) 13 der 14 Gattungen in die Analyse ein. Sikhotealinia zhiltzovae Lafer, 1996 wurde nur in der Analyse von Hörnschemeyer (2009) berücksichtigt. Die vorliegende Untersuchung zeigt für diese Art, dass die vorhandenen Daten keine eindeutige Klärung der Verwandtschaftsbeziehungen zulassen. Es ist möglich, dass sie zu den Archostemata gehört. Dann muss sie aber basal stehen, da ihr die Autapomorphien der Teiltaxa der Archostemata fehlen.