Mythen, Brauchtum und Dichtung



Die Aussagen des keltischen Baumhoroskops und die esoterischen Anwendungen entbehren zwar einer wissenschaftlichen Grundlage, sie sollen aber dazu dienen, die umfangreiche, gesellschaftliche Bedeutung der Rosskastanie darzustellen.



Ein keltisches Baumhoroskop


Nach Kost (2001) dienten die Baumkreise der Kelten als Kult- und Weihestätten für Weissagungen durch Druiden. Durch die Abhängigkeit des Menschen und des Baumes von Sonne und Mond werden Vergleichsmöglichkeiten der Menschen mit den 21 Bäumen im Baumkreis hergeleitet. Die Stellung des Menschen in diesem Baumkreis wird dem Geburtsdatum zugeordnet.
Im esoterisch-keltischen Baumorakel werden zwei „Kastanien-Dekaden“ vom 14.4 – 24.5 und vom 12.11 – 21.11 genannt. Menschen, die in diesen Dekaden geboren sind, werden harmonischen Lebens-Partnern aus anderen Baum-Dekaden zugeordnet. Beispielweise wird dem Kastaniegeborenen der ersten Dekade (15.5. – 24.5) ein Apfelbaumgeborener (1. Dekade 23.12 – 1.1) als passender Partner zugewiesen (Kost 2001).
Kastaniengeborene haben einen verträglichen Charakter und seien wenig anfällig für Krankheitsbeschwerden. Sie haben es schwer die Realität mit ihrer Sensibilität in Einklang zu bringen. Menschen, die in der ersten Dekade geboren sind, sitzen nach Kost (2001) beruflich „fest im Sattel“, Menschen der zweiten Dekade seien sehr von sich überzeugt.
Allerdings ist es in dem keltischen Baumorakel nicht eindeutig ersichtlich, ob es sich um die Rosskastanie Aesculus hippocastanum oder um die Esskastanie Castanea sativa handelt.



Anwendungen in der Esoterik


Gegen das Leiden an rheumatischen Erkrankungen soll das Auf-sich-Tragen von Rosskastaniensamen helfen (Strassmann 2006). Um eine Auseinandersetzung mit sich selbst zu steigern helfe nach Strassmann (2006) ein wiederholter Besuch von Rosskastanienbäumen. Den Bäumen wird sogar eine nervenstärkende Ausstrahlung zugeschrieben.



Biergärten


Viele Biergärten in Städten, aber auch auf dem Land, sind mit Rosskastanien bepflanzt (vgl. Abb. 16).


Rosskastanienkronen eines Biergartens


Abb. 16: Rosskastanienkronen eines Biergartens


Besonders gern wird die schattenspendende Wirkung der Rosskastanienblätter von Biergartenbesuchern genutzt. Problematisch ist allerdings die starke Verbreitung der Rosskastanien-Miniermotte, durch die manche Rosskastanien in Biergärten schon im Sommer herbstlich braun gefärbt oder entblättert sind.



Gedichte über die Rosskastanie


Eine literarische Bedeutung bekommt die Rosskastanie in Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe „An vollen Büschelzweigen“ und in Peter Huchels „Wilde Kastanie“. Der deutsche Literat Hans Magnus Enzensberger schreibt im Gedichtzyklus „Leichter als Luft“ (1999):

"Aesculus hippocastanum

Wie klein du bist, wie kindisch, im Vergleich
zu ihrer Majestät, und sie ist reich.
Millionen weißer Hauben streut sie hin,
diskret getüpfelt, gelb und karmesin.

Viel später hörst du, wie es draußen knallt,
ein weicher, dumpfer Schall auf dem Asphalt
von grünen Morgensternen. Weißer Pelz
im Futteral, aus dem dir Glanz und Schmelz

entgegenrollt, gemasert, rätselhaft und grau
gescheckt mit einem Nabel silbergrau,

daß du dich bückst und faßt es einfach an,
was jeder haben, keiner kaufen kann,

die blanke Gabe, winzig, fehlerlos
und jung. Nur du bist alt und groß."


In diesem Gedicht gibt Enzensberger eine Beschreibung der Physiognomie der Rosskastanie. Er erwähnt die Besonderheit der Farbmale der Blüte „Millionen weißer Hauben streut sie hin, diskret getüpfelt, gelb und karmesin“. Die stachelige Samenschale vergleicht er mit einer mittelalterlichen Waffe, dem Morgenstern. Der für den Kastaniensamen so typische Nabel findet auch Erwähnung in dem Gedicht. Vom Autor wird die Rosskastanie räumlich der Stadt zugeordnet „dumpfer Schall auf dem Asphalt“, dies spricht für ihren hohen Bekanntheitsgrad als Stadtbaum.