Prof. Dr. John Edward Carlson

Coordination: Oliver Gailing

Ein zentraler Teil von Darwin’s Evolutionstheorie, die Artentstehung durch natürliche Selektion, ist heute weitgehend akzeptiert. Allerdings ist es unklar, wie die natürliche Selektion trotz Genfluss zwischen entstehenden Arten zur reproduktiven Isolation und damit zur Entstehung und Erhaltung der Artidentität führt. Das Projekt befasst sich mit dieser zentralen Frage der Evolutionsbiologie und geht dazu den wissenschaftlichen Hinweisen nach, dass divergierende Selektion die Artidentität unvollständig isolierter Arten erhalten und zur Evolution neuer Arten beitragen kann (ökologische Artbildung). Sympatrische kreuzungsfähige Eichenarten (Fagaceae, Quercus) sind Modellsysteme, um Prozesse der ökologischen Artbildung auf Genomebene zu untersuchen. Hybridisierung zwischen nahverwandten Eichenarten ist recht häufig in sympatrischen Beständen, sowohl bei europäischen Arten der Sektion Quercus als auch bei nordamerikanischen Arten der Sektion Lobatae; die Artgrenzen sind offensichtlich teilweise durchlässig. Dennoch hat der zwischenartliche Genfluss nicht zu einem Verlust der genetischen Abgrenzbarkeit und anpassungsrelevanter (adaptiver) Unterschiede geführt. Umweltbedingte Selektion scheint daher eine wichtige Rolle bei der Begrenzung des effektiven Genflusses zwischen Eichenarten zu haben. Untersuchungen an Kandidatengenen zeigten so auch einige Gene unter starker divergierender Selektion, die sowohl eine Rolle bei der reproduktiven Isolation als auch bei der Erhaltung adaptiver Artunterschiede spielen könnten. In dem vorliegenden Projekt untersuchen wir hybridisierende Geschwisterarten der Sektion Quercus (Quercus petraea, Quercus robur) und die hybridisierenden Arten der Sektion Lobatae, Quercus rubra, Quercus ellipsoidalis, die unterschiedliche Anpassungen an Trockenstress aufweisen. Das Projekt wird vollständige Genomsequenzen durch Resequenzierung liefern, um genomweite Muster paralleler Evolution durch divergierende Selektion aufzudecken und potentielle Gene für die reproduktive Isolation und adaptive Unterscheidung zwischen den Arten zu liefern. Der anhaltende zwischenartliche Genfluss gekoppelt mit divergierender Selektion in unserem Eichen-Modell-System erlaubt die Identifizierung von adaptiven Genen unter divergierender Selektion (Outlier-Gene) und von gekoppelten Genomregionen. Die Identifizierung dieser Outlier-Gene auf hochauflösenden Kopplungskarten in Quercus robur und Quercus rubra ermöglicht ferner die genomweite Kartierung dieser Gene in beiden Arten. Zu diesem Zweck werden die genetischen Karten von Q. robur und Q. rubra mit der Genomsequenz von Q. robur abgeglichen, um die Lage der Outlier-Gene und angrenzender genomischer Regionen zu ermitteln, die an der adaptiven Isolierung der Arten über taxonomische Grenzen hinweg beteiligt sind. Das Projekt bildet somit die Grundlage für die Entschlüsselung der Mechanismen der adaptiven Evolution innerhalb der Gattung Quercus.