Prof. Dr. Norma B. Goethe: Forschungsprojekt

Das Streben nach Wahrheit, die Bedeutung des Sehens für die Erkenntnis und das Ideal der »characteristica universalis«

Mathematisches Verstehen beginnt mit dem Sehen. Die moderne Sichtweise, dass zum Verstehen und zur Förderung von Erkenntnis sichtbare Zeichen oder Formen des Ausdrucks notwendig sind, geht auf Leibniz zurück. Nach Leibniz ist die Sprache eine menschliche Erfindung, die nicht allein unseren Gedanken festhält, sondern eine Verkörperung des Verstehens selbst darstellt. Diese Einsicht findet sich ebenso bei dem deutschen Mathematiker und Philosophen G. Frege, dem Urheber der zweidimensionalen Form des Schreibens »als Ausdruck des reinen Gedankens« (Begriffsschrift, 1879). Nach Leibniz’ richtig verstandener Sichtweise gibt es keinen abstrakten menschlichen Gedanken, der nicht irgendeine sinnliche Wahrnehmung erfordert. Er beschreibt seine Konzeption der »characteristica universalis« mit bildlichen Begriffen: So wie die Symbole der Mathematik geben uns die Symbole und Zeichen der Sprache den fühlbaren Druck, um unsere Gedanken zu entwickeln und festzumachen. Unter Auswertung erst kürzlich veröffentlichter Materialien und unter Verwendung neuerer Erkenntnisse wird Professor Goethe einen neuen Blick auf einige von Leibniz’ höchst bedeutungsvollen Erkenntnissen werfen, nämlich auf das Konzept der »fühlbaren« Zeichen, dem Ideal der »characteristica«, seiner Sichtweise des Kerns wissenschaftlicher Erkenntnisse und des Zuwachses an Wissen. Es ist ihr Ziel zu erforschen, wie und warum Sehen – und speziell das Sehen, das durch eine „characteristica“ ermöglicht wird – für das Verstehen essentiell ist.