Prof. Dr. Patrice Veit: Forschungsprojekt

Religiöse Buchpraxis in der Frühen Neuzeit

Dieses Teilprojekt gehört zu einem ANR-DFG-Forschungsprojekt zwischen der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen und dem CRIA (EHESS) in Paris. Es wird Forschungen über das religiöse Buch in Frankreich und im Alten Reich mit einer vergleichenden Analyse seiner Formen, seiner Kontexte und seiner Praktiken in den christlichen Konfessionen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert verbinden. Ziel ist es, die konfessionellen Grenzen präziser herauszuarbeiten. Besondere Aufmerksamkeit gilt den konfessionsübergreifenden Aspekten des Buches und der Verbreitung des so entstehenden religiösen »Wissens«. Der Frage nach den Autoren, Auftraggebern und Herstellern, Lesern und Nutzern religiöser Bücher wird ebenso nachgegangen wie der Bedeutung der religiösen Identität und der konfessionellen sowie sprachlichen Grenzen. Die verschiedenen Aspekte dieses Projektes werden u.a. anhand der evangelischen Gesangbücher aus den Beständen der Bibliotheken in Göttingen, Wolfenbüttel und Gotha untersucht.



Johann Sebastian Bach et sa mémoire
Die geplanten Forschungen »Johann Sebastian Bach et sa mémoire: constructions, réceptions et appropriations en Allemagne au XIXe et au XXe siècle« beschäftigen sich mit der »Monumentalisierung« des Musikers, deren Entwicklung, ihrer Kennzeichen und Rahmenbedingungen im 19. und 20. Jahrhundert.
Das »Phänomen Bach« in Deutschland soll weniger unter musikalischen Aspekten, wie dies bisher vornehmlich geschah, sondern vielmehr in kulturhistorischer Perspektive untersucht werden. Als Monumentalfigur der Musik wird Bach Verehrung entgegengebracht, die durchaus die Züge eines Kultes annimmt – dies lässt auch der religiöse Wortschatz erkennen, der im Zusammenhang mit ihm und seiner Musik oft benützt wird. Zwar ist dies nicht nur in Deutschland der Fall, jedoch artikuliert sich hier diese Begeisterung besonders dauerhaft und intensiv. Der Kult hat seine besonderen Stätten und Institutionen, seine Träger, seine Riten, seine Gedenktage, seine Jubiläen. Die Verehrung in ihren verschiedenen Formen veranlasst dazu, sich Fragen über den Musiker zu stellen, der seinen Zeitgenossen lediglich als Virtuose und Meister des Kontrapunkts galt, ehe er zum »Vater der abendländischen Musik« gemacht wurde und alle seine Zeitgenossen in den Schatten stellte. Aufgrund welcher geistesgeschichtlicher Zusammenhänge – musikalischer, ästhetischer, ideologischer, religiöser und nationaler Art – wurde Bach zum Erzvater der protestantischen Kirchenmusik, zu einem Symbol der deutschen Kunst, einer Identifikationsfigur der deutschen Kultur, und schließlich zu einem Vorbild, an dem kein Musiker vorbeikommt?