Forum for Economic Policy

Mit Freihandel gegen die Finanzkrise



Axel Dreher, Andreas Fuchs, Stephan Klasen and Jan-Egbert Sturm, Handelsblatt, p. 8, November 11, 2008


Die wirtschaftlichen und sozialen Kosten der fortschreitenden Finanzkrise werden zunehmend schmerzhaft. So zeigen aktuelle Forschungsergebnisse der IWF-Ökonomen Stijn Claessens, M. Ayhan Kose und Marco Terrones, dass mit Kreditrestriktionen oder zerplatzten Immobilienblasen einhergehende Rezessionen schwerwiegender sind als andere. Sie dauern durchschnittlich ein Quartal länger; die Kosten sind zwei bis dreimal höher. Nicht immer führen Finanzkrisen auch zur Rezession. Die aktuelle Krise hat allerdings schon zu erheblichen Wachstumseinbrüchen in fast allen Teilen der Welt geführt. Der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Juan Somavia weist darauf hin, dass nur ein schnelles und abgestimmtes Eingreifen der Regierungen eine heftige und dauerhafte Krise verhindern kann. Schätzungen der ILO berechnen einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen von derzeit ungefähr 190 Millionen auf 210 Millionen Ende im Jahr 2009. Sie prognostiziert einen Anstieg der sogenannten working poor um etwa 40 Millionen; d.h., die Zahl der Menschen die trotz Arbeit von weniger als einem Dollar am Tag leben müssen steigt rapide. Auch der Internationale Währungsfond (IWF) erwartet eine deutliche Abkühlung der Konjunktur.


Geldpolitik allein wird die Rezession kaum verhindern. Der Effekt der konzertierten Leitzinssenkung durch die weltweit wichtigsten Zentralbanken am 8. Oktober ist schnell verpufft. Auch die Senkung des US-Leitzinses am 29. Oktober auf den niedrigsten Stand seit 2004 hat kaum geholfen. Andere Mittel müssen das Vertrauen der Investoren wiederherstellen und die Wirtschaft stärken. Hierzu kann erstens ein Konjunkturpaket geschnürt werden. Das ist angemessen und wichtig. Dennoch ist auch die Wirksamkeit der Fiskalpolitik beschränkt. Sie hat wohlbekannte Nachteile – ihre langfristigen Effekte sind umstritten. Um die Wirtschaft langfristig zu stärken müssten Investitionen gestärkt werden. Tatsächlich verpuffen die öffentlichen Ausgaben jedoch meist schnell (wie die Erfahrungen mit Japan in den 80er und 90er Jahren zeigten). In den letzten zwei Wochen sind die Kreditmärkte nahezu kollabiert; Unternehmen und Banken horten Bargeld. Das zeigt ganz klar, das die bisherigen Versuche die Kreditmärkte zu beleben fehlgeschlagen sind. Ein zweiter Impuls für die Weltwirtschaft könnte daher, zweitens, von einer Wiederbelebung der Doha-Runde ausgehen. Die voraussichtlich beträchtlichen Wohlfahrtsgewinne eines positiven Abschlusses der Welthandelsrunde sind wissenschaftlich klar belegt.


Die Liberalisierung des internationalen Handels kommt im Laufe der Finanzkrise zunehmend in die Kritik. Der International Herald Tribune (Ausgabe vom 13. Oktober) erwartet sogar, dass die Finanzkrise zu einer neuen Ära der Regulierung führt, und das über den Finanzsektor hinaus. Historische Erfahrungen (beispielsweise der Zwischenkriegszeit) belegen, wie in wirtschaftlich schlechteren Zeiten verstärkte Rufen nach protektionistischen Maßnahmen einsetzen. Zuallererst wird eine stärkere Regulierung des internationalen Handels gefordert. Die berechtigten Rufe nach einer stärkeren Regulierung des Finanzsektors bergen die Gefahr des Aufbaus neuer Handelsschranken, da man sich davon größere Stabilität auch für die Finanzmärkte verspricht. Tatsächlich geht die Globalisierung aber mit weniger volatilen Finanzmärkten einher, wie beispielsweise eine aktuelle Studie zeigt. Dass wirtschaftliche Globalisierung zu mehr Wirtschaftswachstum führt ist unter Ökonomen allgemein an erkannt. Abbildung 1 zeigt diesen Zusammenhang (aus einer Studie von Axel Dreher, wobei für andere Einflussfaktoren auf das Wachstum kontrolliert wird). Empirische Untersuchungen der Ökonomen Jan-Egbert Sturm von der ETH Zürich und Jakob de Haan von der Universität Groningen zeigen, dass Handel (neben den Investitionen) einer der wenigen robusten Bestimmungsfaktoren von Wachstum sind. Das Gleiche gilt für den positiven Einfluss von wirtschaftlicher Freiheit und Privatinitiative. Zudem bedingen sich Investitionen und Handel gegenseitig, denn die Aussicht auf größere Märkte stimuliert Investitionen.


Die globale Abkühlung der Konjunktur wird sich besonders auf die Entwicklungsländer auswirken, die von der guten weltwirtschaftlichen Lage der letzten Jahre und dem Abbau der Handelsschranken profitiert haben. Die größten Gewinner der letzten Welthandelsrunde waren asiatische und lateinamerikanische Exporteure von Industriegütern. Ressourcenexporteure in Afrika und Lateinamerika haben gleichzeitig von weltweit steigenden Rohstoffpreisen profitiert. Der Rohstoffboom könnte nun am Ende sein und diese Länder wären die größten Verlierer eines Stillstandes oder gar von Rückschlägen im Freihandel.


Im Rahmen der Doha-Runde sollten daher besonders weitere Handelshemmnisse für Industriegüter in den Industrie- und Schwellenländern reduziert werden. Gleichzeitig muss die Abkehr der wettbewerbsverzerrenden Agrarpolitik der Industriestaaten forciert werden. Wird darüber hinaus den ärmeren Entwicklungsländern ein privilegierter Zugang zu den Märkten der Industrie- und Schwellenländer ermöglicht, werden diese beim Ausbau der für den Handel dringend benötigten Infrastruktur unterstützt und werden zudem (zeitlich begrenzte) Hilfen für die zu erwartenden steigenden Lebensmittelpreise armen Nahrungsmittelimporteuren gewährt, können alle Länder vom Abschluss der Welthandelsrunde profitieren.


Die Wiederbelebung der Doha-Runde ist kein Wundermittel zur Vermeidung einer globalen Rezession. Die Geldpolitik allein kann das Vertrauen der Investoren jedoch nicht wiederherstellen. Die Wirkung budgetpolitischer Maßnahmen ist begrenzt. Daher ist ein schneller Abschluss der Doha-Runde das wichtige Signal, das Investoren jetzt benötigen. Ein multinationales Abkommen würde signalisieren, dass die notwendigen Regulierungen im Finanzbereich nicht auf den Rest der Wirtschaft überschwappen. Es signalisiert auch die Handlungsbereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft und den notwendigen politischen Willen, die Krise zu meistern.



Mit Freihandel gegen die Finanzkrise - GRAPH
Abbildung 1: Der Einfluss von Globalisierung auf Wirtschaftswachstum (unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren, 122 Länder, 1970-2000)