Dr. Gisela Florstedt-Borowski

1. Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Quasi auf „Umwegen“, denn: bevor ich 1982 mit meinem Studium der Soziologie, Politikwissenschaften und Ethnologie begann, hatte ich bereits einige Jahre beruflicher Tätigkeit zuerst als Arzthelferin in verschiedenen Praxen und später als MTA auf der Anäesthesie-Wachstation im Göttinger Klinikum hinter mir. Im Januar 1988 hatte ich mein Examen abgeschlossen und unmittelbar im Anschluss daran in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung gearbeitet. 1989 bot mir mein ehemaliger akademischer Lehrer am Seminar für Politikwissenschaft, Herr Prof. E.-A. Roloff, eine Stelle als wiss. Angestellte (Promotionsstelle) an, die ich gern annahm und auch die Chance, wissenschaftlich arbeiten zu können, habe ich seinerzeit gern ergriffen.
Parallel habe ich weiter in der Erwachsenenbildung gearbeitet; in dieser Zeit habe ich vor allen Dingen kommunalpolitische Themen – und hier speziell Themen rund um „Frauen und Kommunalpolitik“ – angeboten.
Nach meiner Promotion bin ich aus familiären Gründen von Göttingen nach Hofgeismar gezogen. Getreu dem Motto von Prof. Roloff „jeder gute Sozialwissenschaftler schafft sich seinen Arbeitsplatz selbst“ habe ich mich hier selbständig gemacht, und zwar in unterschiedlichen Bereichen. Ich bin bis heute in der Erwachsenenbildung geblieben, weil ich immer noch begeisterte Fortbildnerin bin, habe ein kleines Beratungsunternehmen (Organisationsentwicklung, Qualitätsmanagement/-entwicklung, Zertifizierung, Coaching) gegründet und mich darauf spezialisiert, meine Dienstleistungen im Bildungs- und soz. DL-Bereich (Jugend-, Alten-, Kranken- und Behinderteneinrichtungen etc.) anzubieten.
Kürzlich habe ich eine Professur an einer Fachhochschule (30%) angeboten bekommen und auch angenommen, und bin nunmehr vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zur Professorin ernannt worden.


2. Wer hat Sie in Ihrem beruflichen Umfeld am stärksten unterstützt? Hatten Sie Vorbilder, die Ihren Werdegang beeinflusst haben?
Hier kann ich meinen alten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Roloff nennen. Von ihm habe ich immer wieder wichtige Impulse erhalten, die für mich sehr hilfreich waren. Im Hinblick auf meine jetzigen Aufgabenfelder hatte ich eigentlich eher keine Vorbilder; diese Aufgaben sind praktisch „auf mich zugekommen“.


3. Wenn Sie an Ihre aktuelle Arbeit denken, können Sie positive wie auch negative Aspekte nennen?
Positiver Aspekt ist einerseits, dass ich sehr selbstbestimmt arbeiten und Ideen realisieren kann. Darüber hinaus ist dennoch ein fruchtbarer Austausch mit KollegInnen aus der Branche gegeben, die auch durch gelegentliche kritische Anmerkungen meinen Blick immer mal wieder schärfen. Durch die freiberufliche Arbeit – auch mit Mitarbeiterin – ist die Gefahr der Selbstausbeutung und die Gefahr, dies erst recht spät zu bemerken, sehr hoch. Darüber hinaus ist – wie überall in der Selbständigkeit – die Frage der Akquise (das mache ich bis heute außerordentlich ungern) immer mal wieder auch existentiell wichtig.


4. Wie stellen Sie Ihre „Work-Life Balance“ her, also die Vereinbarkeit, bzw. den Einklang von Beruf und Privatleben?
Inzwischen bemühe ich mich, deutlich mehr auf mich zu achten und arbeite nicht mehr 12 (manchmal auch 16) Stunden am Tag, sondern gönne mir auch hin und wieder den Luxus, einfach mal mittags frei zu machen. Ich mache regelmäßig Yoga und nehme mir Zeit für unterschiedliche – für mich wichtige – Aspekte des Lebens.


5. Was sind Ihre persönlichen Interessen, die vielleicht auch zu Ihrem Beruf geführt haben?
Meine Interessen sind ziemlich vielseitig; das spiegelt sich auch in meinem Lebenslauf wider, der ja nicht einfach „geradeaus“ gegangen ist, sondern immer mal wieder an Weggabelungen Entscheidungen in die eine oder andere Richtung verlangt hat. Immerhin hat das vielleicht auch zu einer gewissen Flexibilität beigetragen.


6. Mit welchen Problemen hatten Sie während Ihres Karriereverlauf zu kämpfen?
Ich persönlich hatte hier nicht mit Problemen zu kämpfen, habe dies aber immer mal wieder bei Freundinnen und Bekannten beobachten können.


7. Welche Empfehlungen haben Sie für Absolventinnen in diesem Berufsfeld?
Ich trete inzwischen eloquent auf und vertrete nunmehr (anfänglich hatte ich damit Schwierigkeiten) meine Honorarvorstellungen sehr selbstbewusst. Hier kann ich jeder Absolventin empfehlen, die eigene Qualifikation deutlich hervorzuheben und sich nicht durch falsche Bescheidenheit Nachteile zu verschaffen.


8. Spielt Gleichstellungsarbeit in Ihrem Berufsfeld eine Rolle? Wie beurteilen Sie die Geschlechterverhältnisse und Ihre Rolle als Frau in Ihrem Beruf?
In jenen Bereichen der soz. DL-Erbringung ist der Frauenanteil sehr hoch. Hier finden sich in den letzten Jahren allerdings auch vermehrt Frauen in mittleren Führungsrollen. Auf Vorstandsebenen allerdings ist nach wie vor eine starke Männerdominanz zu konstatieren. Persönlich habe ich in meinem derzeitigen Berufsbereich keine Schwierigkeiten, aber wie gesagt: ich bin freiberuflich tätig.