Gesundheit am Lebensende - Herausforderungen einer alternden Gesellschaft

Viele europäische Staaten weisen eine alternde Bevölkerung auf. Das Thema Gesundheit am Lebensende erhält hierdurch eine immer größere Bedeutung. Medizinische Fortschritte ermöglichen eine steigende Lebenserwartung sowie eine immer bessere medizinische Versorgung am Lebensende.

Unter der Moderation von Prof. Dr. Robert Schwager diskutierten Prof. Dr. Holger Strulik, Prof. Dr. Gunnar Duttge sowie Prof. Dr. Friedemann Nauck über unterschiedliche Aspekte zu diesem Thema.

Zunächst verdeutlichte Prof. Dr. Strulik in seinem Impulsreferat makroökonomische Aspekte des Themas Gesundheit und Lebenserwartung. Er führte die gängige Annahme makroökonomischer Modelle aus, dass die Sterbewahrscheinlichkeit über den individuellen Lebenszyklus hinweg konstant sei. Dem stellte er einen (realistischeren) Ansatz gegenüber, in dem die Sterbewahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter steigt. Zur Bestimmung der Einflüsse auf die Lebenserwartung sei die bislang gängige Verwendung des Gesundheitskapitalmodells insofern problematisch, als daraus folge, dass gesunde Menschen schneller altern. Prof. Dr. Strulik stellte diesem Ansatz die die Messung und Erklärung von konkreten Gesundheitsdefiziten gegenüber. In diesem Zusammenhang ist die Gesundheit deutlich vom Alter abhängig, aber z. B. auch von Einkommen. Abschließend führte Prof. Dr. Strulik aus, dass der Grenznutzen aus Konsum abnehme, der Grenznutzen aus zusätzlicher Lebenszeit jedoch konstant sei. Daraus ließe sich die Nachfrage nach einer immer besseren medizinischen Versorgung und entsprechender Forschung & Entwicklung herleiten, auch wenn dies zu Lasten der Konsummöglichkeiten gehen würde.

Prof. Dr. Duttge stellte in seinem Impulsreferat das Verhältnis zwischen Arzt und Patient in den Mittelpunkt. Medizinische Maßnahmen unterliegen einer doppelten Legitimationsbedürftigkeit: Einerseits soll die Behandlung medizinischen Ansprüchen genügen und kunstgerecht ausgeführt werden. Andererseits gilt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Eine vom behandelnden Arzt vorgeschlagene Maßnahme bedarf daher der Zustimmung des Patienten. Diese Form der "Mitwirkung" des Patienten tritt aber erst dann ein, wenn der Arzt eine Maßnahme vorschlägt. Sofern der Arzt nicht einmal eine Maßnahme vorschlägt, fehlt ein Anknüpfungspunkt für diese Mitwirkung. Dies könnte aus juristischer Sicht insofern ein Problem darstellen, als die medizinische Entscheidung überhaupt eine Maßnahme vorzuschlagen (oder eben nicht) nur begrenzt einer juristischen Überprüfung zugänglich ist. Hier eröffnet sich insbesondere am Lebensende ein Entscheidungsspielraum des Arztes jenseits der Mitwirkungsmöglichkeit des Patienten, der laut Prof. Dr. Duttge rechtswissenschaftlich noch nicht hinreichend erfasst ist. Dieser Umstand könnte vor dem Hintergrund ein Problem darstellen, dass die medizinische Versorgung in Krankenhäusern in Anbetracht knapper Mittel und der Abrechnung nach sog. Fallpauschalen zumindest implizit durch Priorisierung gekennzeichnet ist, sodass Ärzte sich widersprüchlichen Anforderungen ausgesetzt sehen, denen sie in einer rechtlichen Grauzone begegnen.

Prof. Dr. Nauck stellte in seinem kurzen Vortrag Grundzüge der palliativmedizinischen Versorgung vor. Bessere diagnostische und therapeutische Mittel hätten in der Vergangenheit zu einer Ausweitung therapeutischen Maßnahmen und zu einer Ausweitung der Möglichkeiten geführt, Leben zu erhalten. Dennoch sei es von hoher Bedeutung, sowohl die unabänderliche Endlichkeit des Lebens sowie die Lebensqualität am Lebensende im Blick zu behalten. Wesentliches Ziel der Palliativmedizin sei die Aufrechterhaltung der Lebensqualität über einen möglichst langen Zeitraum. Bei Krebspatienten ohne Aussicht auf Heilung führe die Kombination von onkologischer und palliativmedizinischer Behandlung zu einer geringeren Anzahl depressiver Patienten und zu einer bis zu drei Monaten längeren Lebenserwartung. Behandelnde Ärzte überschätzen laut Prof. Dr. Nauck regelmäßig die zu erwartende Lebenszeit bei sterbenskranken Krebspatienten. Die Mitwirkung von Palliativmedizinern würde in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung von Ärzten und Patienten beeinflussen und die Prioritäten für die Behandlung am Lebensende hin zu mehr Lebensqualität beeinflussen.

Im Anschluss an die Vorträge hatten die Zuhörer Gelegenheit, ihre Fragen an die Experten zu richten. Hierbei stießen insbesondere palliativmedizinische Aspekte und der Umgang mit Patientenverfügungen auf großes Interesse. Prof. Dr. Nauck und Prof. Dr. Duttge wiesen auf die Komplexität des Themas Patientenverfügungen hin. Viele Patienten würden sich ein falsches Bild von intensivmedizinischen Maßnahmen machen. Entscheidend sei eine gute Beratung und Begleitung der Patienten und der Familien in der konkreten Entscheidungssituation über lebensverlängernde Maßnahmen.

Die Veranstaltung klang bei Laugengebäck, kühlen Getränken und zahlreichen Gesprächen in kleinen Gruppen aus.