Dott.ssa Ilva Fabiani


1994 kam ich mit dem Titel Dottore in Filosofia der Universität Macerata nach Marburg an der Lahn. Ich hatte eine Arbeit über Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie geschrieben und dafür die “dignità di stampa” (die “Druckwürde”) erhalten: Die Arbeit ist in gekürzter Form in der Reihe “Verifiche” der Universität Padua veröffentlicht worden. Hegel, Kant, Mendelssohn, die Gedichte Hölderlins und die sanften Hügel der hessischen Landschaft haben meine ersten Jahre in Deutschland begleitet. In dieser Zeit habe ich als Wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Reinhardt Brandt (Institut für Philosophie) und bei Prof. Bodo Guthmüller (Institut für Romanische Philologie) gearbeitet und mich dort an den Forschungsaktivitäten des Lehrstuhls beteiligt, wobei die Mythen und ihr Fortleben in Kunst, Philosophie und Literatur die zentralen Forschungsschwerpunkte waren.

Durch meine muttersprachliche Kompetenz im Italienischen bin ich in Kontakt mit dem Italienischunterricht für Philolog:innen gekommen, und so hat sich, neben der Philosophie, eine Leidenschaft entwickelt, die bis heute anhält: die Sprachlehre. Ich habe Lehraufträge in Gießen und in Marburg wahrgenommen und parallel dazu Sprachpakete für die freie Wirtschaft konzipiert und angeboten: Unter meinen damaligen Kunden war auch die deutsche Niederlassung der Firma Ferrero in Stadtallendorf. Diese zwei Welten, die freie Wirtschaft auf der einen Seite und die akademische Welt auf der anderen, haben mich in Sachen Arbeitsmethoden und Leistungsverständnis viel gelehrt. Als DFG-Stipendiatin habe ich in dem Graduiertenkolleg “Didaktik des Fremdverstehens” gearbeitet und zeitgleich ein Masterstudium in Didaktik des Italienischen als Fremdsprache an der Università per Stranieri di Siena abgeschlossen und mit besten Noten das Zertifikat “DITALS” (Didattica dell’Italiano come Lingua Straniera) erworben.
Im Jahre 1999 habe ich die Stelle als Lektorin an der Universität Göttingen angetreten.

Seitdem unterrichte ich mit einem Lehrdeputat von 12 bzw. 18 Stunden Italienisch für Studierende der Fremdsprachenphilologie und bin, in den Basismodulen, auch für die Fachdidaktik des Italienischen zuständig. Mein Schwerpunkt liegt somit in der Lehre der italienischen Sprache auf allen Niveaustufen und darüber hinaus in der kontinuierlichen Optimierung der Lehrcurricula, um eine zeitgemäße sprachpraktische Ausbildung zu gewährleisten. 2004 habe ich mit meiner Kollegin Dr. Eva Molitor das Lehrbuch “Al lavoro! Italienische Grammatik in Übersetzungen und Übungen” verfasst, das 2004 im Buske Verlag (Hamburg) erschienen ist. 2009 habe ich vom Stiftungsrat der Universität Göttingen den Preis für “besonderes Engagement in der Lehre und in der Verbesserung der Studienbedigungen” erhalten, eine schöne Anerkennung für die vielen Jahre harter Arbeit.
Nebenher habe ich einige studentische Exkursionen organisiert und geleitet: Sardinien (2004), Marken (2006) und vor allem Orvieto (2010): In diesem malerischen Städtchen in Umbrien, dessen Domfassade ein fantastisches Beispiel für Renaissance-Kunst ist und auf der auch diverse Szenen aus Dantes Commedia dargestellt sind, haben wir mit den Studierenden einen Monat verbracht. Dort haben die Studierenden tagsüber einen Intensivsprachkurs besucht und nachmittags Einwohner:innen interviewt, in Bibliotheken geforscht und eine Ausstellung mit dem Titel “Die Entdeckung der Langsamkeit” vorbereitet, die in den Räumen des Göttinger Seminars zu sehen war. Außerdem wurde ein sehr schönes Video gedreht, das unsere Arbeit dokumentiert: Den sechzehn Studierenden, die an der Exkursion teilgenommen haben, gilt noch heute mein Dank für diese bereichernde Erfahrung.

Bis zum heutigen Tag habe ich in Göttingen immer wieder Ämter in der akademischen Selbstverwaltung wahrgenommen, unter anderem in der Struktur- und Haushaltskommission, im Fakultätsrat sowie im Vorstand des Seminars für Romanische Philologie. Auch Berufungs- und Wahlkommissionen zählen zu meinen Erfahrungen.

Nach zwei Jahren intensiver Vorbereitung habe ich, zusammen mit meiner geschätzten Kollegin Carmen Mata Castro (Lektorin für Spanisch), das Studienangebot “Zertifikat für Fachliches und Literarisches Übersetzen”, das sich immer größerer Beliebtheit unter den Studierenden erfreut, ins Leben gerufen. Mit einem an das Zertifikat angelehnten Projekt “FLÜstern” haben wir 2022 einen mit 50.000 € dotierten Innovationspreis des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst erhalten.
Zu meiner Freude bin ich im Jahre 2022 in die Redaktion der italianistischen Zeitschrift für Kulturwissenschaft und Gegenwartsliteratur Horizonte aufgenommen worden. Wissenschaftlich habe ich mich bisher mit einem Beitrag über Jhumpa Lahiri beteiligt sowie an der Organisation des bilingualen literarischen Wettbewerbs “Tra-Dire-Raccontando • Über-Setzen-Schreiben”.

Meine große Leidenschaft ist das Schreiben, insbesondere von historischen Romanen, Theaterstücken und Drehbüchern. Mein Roman “Le lunghe notti di Anna Alrutz” spielt u.a. im Göttingen der 30er-Jahre und ist die Geschichte einer NS-Krankenschwester, die an Zwangssterilisationen beteiligt ist. Der Roman wurde 2014 bei Feltrinelli veröffentlicht und hat mehrere Preise erhalten, darunter den “Premio Scuola Holden per il romanzo più originale” und 2015 den “Premio Scrittoriincittà” für den besten Erstlingsroman des Jahres. Dieser Roman wurde von Dr. Birgit Ulmer ins Deutsche übersetzt und ist im Juli 2023 im Göttinger Steidl Verlag unter dem Titel “Meine langen Nächte” erschienen.
Das Theaterstück “Undici” bzw. das Drehbuch “ELF” spielen ebenfalls im Göttingen der 30er-Jahre: Es wird darin die Geschichte der elf Studierenden erzählt, die während des Nationalsozialismus von der Philosophischen Fakultät relegiert wurden.
Der zweite Roman “Tre giorni e tre notti nel cuore della terra” ist zwar fertiggestellt aber noch nicht veröffentlicht. Mit dem dritten, “Der Abgrund”, habe ich kürzlich begonnen.