Als Magdalena Kersting im vergangenen November nach Göttingen zurückkehrte, brachte sie mehr als nur Erinnerungen mit. Mittlerweile Juniorprofessorin an der Universität Kopenhagen, berichtete sie darüber, wie die Mathematik Karrierewege in der Bildung und Wissenschaftskommunikation eröffnen können und leitete einen Workshop, der DoktorandInnen und Postdocs dabei half, ihre Kommunikationsfähigkeiten weiterzuentwickeln.






Der vertraute Geruch von Kreidestaub lag in der Luft, als ich im November vor einer Tafel im Mathematischen Institut in Göttingen stand. Anders als in meiner Studienzeit, in der ich über wöchentlichen Zetteln brütete, leitete ich nun einen Workshop zur Wissenschaftskommunikation für Doktoranden. Das Gebäude war noch genau wie früher – die gleichen Räume, die gleichen Wände, die noch immer die Spuren mathematischen Denkens trugen – aber meine Beziehung zur Mathematik und meine Karriere hatten sich in unerwarteter Weise entwickelt.

Als ich 2008 zum ersten Mal durch diese Gänge lief, faszinierte mich die Eleganz der Mathematik und ihre Fähigkeit, die physikalische Welt zu erklären. Dieses Interesse führte dazu, dass ich Mathematik und Physik parallel studierte. Während meines Studiums belegte ich außerdem Journalismuskurse und arbeitete als HiWi am Institut. Diese frühen Erfahrungen – anderen Studierenden mathematische Konzepte zu erklären und über wissenschaftliche Themen zu schreiben – weckten mein Interesse an der Wissenschaftskommunikation. Die Mathematik lehrte mich das analytisches Denken und wie man komplexe Ideen in ihre Grundbausteine zerlegt. Gleichzeitig half mir die Lehrerfahrung zu verstehen, wie man diese Ideen wieder neu zusammensetzt, dass sie bei anderen auf Resonanz stoßen.

Was mir damals nicht klar war: Diese Kombination würde unerwartete Türen öffnen – und mich zur Bildungsforscherin machen. Aufbauend auf Göttingens starkem Fundament in Mathematik und Kommunikation promovierte ich in Oslo in der physikdidaktischen Forschung und absolvierte parallel eine Ausbildung an der Freien Journalistenschule Berlin. Heute untersuche ich als Juniorprofessorin an der Universität Kopenhagen, wie unser abstraktestes Verständnis – sei es in Mathematik, Physik oder anderen MINT-Fächern – grundlegend in körperlichen Erfahrungen verankert ist. Es ist eine Forschungsrichtung, die meine Ausbildung in Mathematik und Physik mit Erkenntnissen aus der Kognitionswissenschaft und Bildungsforschung verbindet.

Auch wenn die Fähigkeiten, die ich heute in meiner Arbeit brauche, weit von Beweisführung und dem Lösen von Differentialgleichungen entfernt erscheinen mögen, greife ich ständig auf die Denkweisen zurück, die ich durch die Mathematik gelernt habe – die Fähigkeit, neue Konzepte schnell zu erfassen, Muster zu erkennen, scheinbar ganz unverbundene Ideen zu verknüpfen und zwischen abstrakten Prinzipien und konkreten Beispielen hin und her zu wechseln. Diese Fähigkeiten sind Gold wert in meiner interdisziplinären Arbeit, bei der ich die Zusammenarbeit zwischen Forschenden, DesignerInnen und Lehrkräften koordiniere und über Fachgrenzen hinweg effektiv kommunizieren muss.

Was mich in meiner aktuellen Forschung am meisten fasziniert, ist die Frage, wie unser Denken den weiten Graben zwischen konkreten körperlichen Erfahrungen und abstrakten mathematischen oder naturwissenschaftlichen Konzepten überbrückt. Selbst in den abstraktesten Bereichen der Mathematik finden wir Spuren grundlegender körperlicher Erfahrungen – in der Art und Weise, wie wir geometrische Transformationen visualisieren, numerische Beziehungen konzeptualisieren oder über mathematische Strukturen nachdenken. Diese kognitive Leistung zu verstehen, der Weg von der verkörperten Erfahrung zur mathematischen Abstraktion, ist nicht nur theoretisch spannend – es liefert auch praktische Erkenntnisse, wie wir MINT-Bildung zugänglicher und bedeutungsvoller für Lernende gestalten können.
Meine Rückkehr nach Göttingen im November bot eine hervorragende Gelegenheit, meiner alten akademischen Heimat etwas zurückzugeben, die meine Karriere geprägt hatte. In einem Workshop mit DoktorandInnen und Postdocs widmeten wir uns einer Herausforderung, die ich aus eigener Erfahrung gut kannte: Wie vermittelt man komplexe mathematische Ideen verschiedenen Zielgruppen? Als ich die Teilnehmenden nach ihren größten Herausforderungen fragte, zeigten ihre Antworten die Kerndilemmas der mathematischen Kommunikation auf. Einige rangen damit, die richtige Balance zwischen Intuition und Strenge zu finden – wie vermittelt man eine ‘Idee’ seiner Arbeit, ohne mathematische Präzision zu opfern, besonders wenn man in hochabstrakten Bereichen forscht, die weit von intuitiven Konzepten wie Geometrie oder Arithmetik entfernt sind? Andere betonten die Herausforderung zu vermitteln, dass Mathematik im Kern von abstrakten Beziehungen handelt, und merkten an, dass konkrete Beispiele, so hilfreich sie auch sein mögen, manchmal die zugrundeliegenden Konzepte überschatten können.


Mathematik Bunsenstraße Treppe

Der Workshop bot eine tolle Gelegenheit, diese Herausforderungen gemeinsam zu erkunden. Wir analysierten verschiedene Kommunikationsformate – von einem Quanta Magazine-Artikel über elliptische Kurven über ein YouTube-Video zur Navier-Stokes-Gleichung bis hin zu einem Podcast über mathematische Beweise. Gemeinsam identifizierten wir Schlüsselprinzipien für effektive mathematische Kommunikation und entwickelten kurze Research Pitches, bei denen die Teilnehmenden diese Prinzipien auf ihre eigene Arbeit anwenden konnten. Es machte viel Spaß, miteinander über die eigene Forschung zu sprechen. Tatsächlich erinnerte mich der Enthusiasmus dieser NachwuchsmathematikerInnen beim Teilen ihrer Leidenschaft an meinen eigenen Weg von diesem Institut zu meiner jetzigen Arbeit in der MINT-Bildung und -Kommunikation.

Der Workshop zeigte auch etwas auf, das ich im Laufe der Zeit immer mehr zu schätzen gelernt habe: den Wert des Dialogs zwischen verschiedenen akademischen Traditionen. Ob wir elliptische Kurven studieren oder untersuchen, wie Lernende die Quantenmechanik verstehen – letztendlich erforschen wir, wie der menschliche Geist abstrakte Muster und Strukturen erfasst. Mathematisches Denken bietet einzigartige Einblicke in diesen Prozess, während Perspektiven aus der Kognitionswissenschaft und Bildungsforschung uns helfen zu verstehen, wie wir diese abstrakten Ideen für Lernende zugänglich machen können.

From Mathematics to STEM Education: An Unexpected Journey

When Dr. Magdalena Kersting returned to Göttingen last November, she brought back more than memories. Now an assistant professor at the University of Copenhagen, she discussed how mathematical foundations can open unexpected career paths in STEM education and science communication. During her visit, she also led a workshop helping doctoral students and postdocs develop their communication skills.

The familiar smell of chalk dust filled the air as I stood in front of a blackboard at the Mathematics Institute in Göttingen last November. But unlike my student days when I would be puzzling over weekly assignments, I was now guiding doctoral students in mathematics communication. The building hadn’t changed at all – the same rooms, the same walls carrying traces of mathematical thought – but my relationship with mathematics and my career had evolved in ways I couldn’t have anticipated as a student.

Back in 2008, when I first walked these halls as an undergraduate, I was drawn to the elegance of mathematics and its power to explain the physical world. This interest led me to study mathematics and physics in parallel. While completing my degrees, I took journalism courses and worked as a teaching assistant (“HiWi”) at the institute. These early experiences – explaining mathematical concepts to other students and writing about scientific topics – sparked my interest in science communication. Mathematics taught me an analytical mindset and how to break down complex ideas into their fundamental components. At the same time, my teaching experience helped me understand how to rebuild these ideas in ways that resonated with others.

Mathematical Thinking in Interdisciplinary Research

What I didn’t realise then was how this combination would open unexpected doors – and would lead to me becoming an educational researcher. Building on Göttingen’s strong foundation in mathematics and communication, I pursued a PhD in physics education research in Oslo while also completing training at the Freie Journalistenschule Berlin. Today, as an assistant professor at the University of Copenhagen, I investigate how our most abstract understanding – be it in mathematics, physics, or other STEM fields – is fundamentally grounded in bodily experiences. It’s a research direction that combines my training in mathematics and physics with insights from cognitive science and educational research.

While the skills required in my work today might seem far removed from proving theorems or solving differential equations, I find myself constantly drawing on the approaches I learned through mathematics – the ability to quickly grasp new concepts, identify patterns, connect seemingly disparate ideas, and move between abstract principles and concrete examples. These skills come in handy in my interdisciplinary work, where I need to facilitate collaboration between researchers, designers, and teachers while communicating effectively across disciplinary boundaries.

What fascinates me most in my current research is tracing how our minds bridge the vast gap between concrete physical experiences and abstract mathematical or scientific concepts. Even in the most abstract reaches of mathematics, we find echoes of basic bodily experiences – in how we visualise geometric transformations, conceptualise numerical relationships, or reason about mathematical structures. Understanding this cognitive achievement from embodied experience to mathematical abstraction is, of course, theoretically intriguing – but it also offers practical insights for making STEM education more accessible and meaningful to learners.

Giving Back: Workshop on Mathematics Communication

My return to Göttingen this November offered an excellent opportunity to give back to the community that had shaped my career. In a workshop with doctoral students and postdocs, we tackled a challenge I knew well from my own experience: how to communicate complex mathematical ideas to diverse audiences. When I asked participants what they found most challenging, their responses revealed the core dilemmas of mathematics communication. Some struggled with finding the right balance between intuition and rigour – how to give an ‘idea’ of their work without sacrificing mathematical precision, especially when working in highly abstract areas far removed from intuitive concepts like geometry or arithmetic. Others highlighted the challenge of conveying that mathematics is fundamentally about abstract relations, noting that concrete examples, while helpful, could sometimes overshadow the underlying concepts.

The workshop provided a great opportunity to explore these challenges together. We analysed different communication formats – from a Quanta Magazine article about elliptic curves, to a YouTube video explaining the Navier-Stokes equation, to a podcast about mathematical proofs. Together, we identified key principles for effective mathematics communication and crafted short research pitches where participants could practice applying these principles to their own work. It was a lot of fun to learn about each other’s research. In fact, watching these early-career mathematicians share their passion reminded me of my own journey from these halls to my current work in STEM education and communication.

The workshops also highlighted something I’ve come to appreciate deeply: the value of bringing different academic traditions into dialogue. Whether we’re studying elliptic curves or investigating how learners make sense of quantum mechanics, we’re ultimately exploring how human minds grasp abstract patterns and structures. Mathematical thinking offers unique insights into this process, while perspectives from cognitive science and education research help us understand how to make these abstract ideas accessible to learners.

Looking Forward: Future Paths

The value of this interdisciplinary dialogue has had an impact beyond traditional academic boundaries – my research bridging physics education and embodied cognition was recognised with the International Astronomical Union PhD Prize, while my essays exploring how our embodied experiences shape abstract mathematical and scientific understanding have received recognition from the New Philosopher magazine.

My journey from studying mathematics in Göttingen to researching embodied cognition and learning in Copenhagen might seem unexpected. However, for current mathematics students wondering about their future paths, I hope my story shows that mathematics opens doors far beyond traditional career paths. The ability to think abstractly while maintaining precision, to see patterns across seemingly disparate fields, and to communicate complex ideas clearly – these skills are helpful whether in research, education, or communication.

My visit reinforced how much potential there is for collaboration between mathematics departments and education researchers. Whether through joint workshops, shared projects on mathematical cognition, or new approaches to teaching abstract concepts, there are exciting possibilities for bringing these communities together. I am grateful for my mathematical foundations from Göttingen, and I look forward to future opportunities to strengthen this dialogue between mathematics and education research, continuing the journey that began in these very halls in Göttingen.