Intergenerationale Transmission in Familien stigmatisierter NS-Opfer in Österreich und Deutschland

In diesem Projekt werden Konstruktionsprozesse von Familiengedächtnissen und die intergenerationalen Folgen von Verfolgungserfahrungen jener NS-Opfern und Überlebenden untersucht, die vor und nach 1945 sozial stigmatisiert wurden. Das von der DFG geförderte Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren.

In dem Projekt stehen die Nachkommen jener Menschen im Fokus, die aufgrund sozialrassistischer Kategorisierungen als „Gemeinschaftsfremde“ oder „Staatsfeinde“ der sogenannten NS-Volksgemeinschaft verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Dazu zählen „Berufsverbrecher“, aber auch "Homosexuelle" sowie Deserteure und Zeugen Jehovas. Ihre Erfahrungen wurden nicht Teil des deutschen und österreichischen kollektiven Gedächtnisses und blieben im öffentlichen Gedenken unsichtbar. Die Gründe hierfür sind in den verleugnenden öffentlichen Diskursen zu finden, in der auch nach 1945 fortbestehenden stigmatisierten sozialen Position der Betroffenen und nicht zuletzt im Fehlen von um Anerkennung kämpfenden Opfer- und Verfolgtengruppen. Auch die sozialwissenschaftliche Forschung hat sich jahrzehntelang nicht für sie interessiert.

Vor diesem Hintergrund und auf Basis biographisch-narrativer Interviews, Familiengesprächen und Diskursanalysen fragt die geplante Mehrgenerationenforschung nach den Auswirkungen von gesellschaftlicher Stigmatisierung und Unsichtbarkeit nach 1945 auf die intergenerationalen und biografischen Handlungs- und Erinnerungsstrukturen der Nachkommen und zielt auf einen Vergleich dieser Strukturen ab. Dabei wird ein kontrastiver Vergleich von Gruppierungen in Österreich und in der Bundesrepublik angestrebt. Damit soll eine bestehende Lücke in der sozialwissenschaftlichen Mehrgenerationen-Forschung zu den Folgen des Nationalsozialismus in der deutschen und österreichischen Gegenwartsgesellschaft schlossen werden, die sich bisher insbesondere mit Wirkungen in Täter/innen- und (meist jüdischen) Opfer- und Überlebendenfamilien beschäftigt hat.

Das Projekt wird von Prof. Dr. Maria Pohn-Lauggas geleitet und gemeinsam mit Miriam Schäfer, MA, Sarah Könecke, MA und Victoria Gómez Taboada, MA sowie Björn Dauven und Friedericke von Ass umgesetzt.