18/01/2011: Neue Studie: Einkommenspolarisierung nur minimal?

Nach einer Meldung von RP Online sehe eine für das arbeitgebernahe Roman Herzog Institut erstellte Studie keine Anzeichen dafür, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter geöffnet habe. Beobachtbar sei nur ein sehr geringes Anwachsen des Niedriglohnsektors. Nach von der Studie genutzten Daten des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP) habe der Anteil der niedrigen Einkommen in Deutschland 2009 mit 21,7 Prozent nur um 0,7 Prozentpunkte über dem Niveau von 1993 gelegen. Auch bei den höheren Einkommen sei der Anteil mit 16,8 Prozent im Jahr 2009 sehr dicht an dem Wert von 1993 gewesen. Von einem Schrumpfen der Mittelschicht könne daher keine Rede sein. Allerdings hätten die Forscher auch eingeräumt, dass es schwer sei, von unten in die Mitte aufzusteigen. Nur einem Drittel der Bezieher niedriger Einkommen sei im Zeitraum von 1995 bis 2007 dieser Aufstieg gelungen.

Im Juni 2010 war eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Einkommensentwicklung in Deutschland zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen. Danach habe es im vergangenen Jahrzehnt eine starke Einkommenspolarisierung gegeben, weil immer mehr Menschen in die Schicht derer gerutscht seien, die nur niedrige Einkommen erzielen konnten, während gleichzeitig die Gruppe der Wohlhabenden gewachsen sei (siehe 16.06.2010).

Der DIW-Verteilungsforscher Markus Grabka erklärte gegenüber der Berliner Zeitung, wie es in der Studie für das Roman Herzog Institut zu dem abweichenden Befund kommen konnte. So hätten sich die Autoren nicht die Entwicklung der Bruttolöhne angeschaut, sondern das verfügbare Nettoeinkommen der Haushalte inklusive staatlicher Leistungen betrachtet. Zudem sei pro Jahr jeweils nur ein Monatseinkommen unter die Lupe genommen worden. Man müsse aber die gesamten Jahreseinkünfte betrachten, um Boni, Einmalzahlungen und Kapitaleinkünfte richtig erfassen zu können. Wenn man die Jahreseinkommen zugrunde lege, dann zeige sich, dass die Realeinkommen der ärmsten Bürger seit 1999 um zehn Prozent gesunken, die Einkünfte der reichsten fünf Prozent dagegen um 23 Prozent gestiegen seien, so Grabka.

Quellen: RP Online vom 17.01.2011
  Berliner Zeitung vom 18.01.2010

Weiterlesen:
Enste, D.H./ Erdmann, V./ Kleineberg, T. (2010): Mythen über die Mittelschicht. Wie schlecht steht es wirklich um die gesellschaftliche Mitte?, hg. v. Roman Herzog Institut, München.