Ziel des Projektes ist die Erforschung der ethischen Dimension von Herrschaft auf der Grundlage der Erarbeitung praktisch-politischer Weisheitsvorstellungen im frühislamischen Herrschertum. Als Quellenbasis dient die Fürstenspiegelliteratur bzw. Ratgeberliteratur zur Unterweisung des zukünftigen Herrschers in der Zeit vom 8. bis 11. Jh. Weisheit als herrscherliche Tugend soll mithin am Schnittpunkt von Religion und Macht untersucht werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Einflüssen iranischer vorislamischer Weisheitsvorstellungen. Die Fürstenspiegelliteratur ist in ihrer Bedeutung für die islamische Staatstheorie bisher erst ansatzweise erschlossen, der Aspekt der politischen Ethik und darunter der Weisheit harrt noch der Aufarbeitung. Die Weisheit wie auch analoge herrscherliche Tugenden und die dazu gehörenden ethisch-politischen Verhaltensmaßstäbe sind jedoch offenbar eng verbunden mit verschiedenen sich in den Fürstenspiegeln überlagernden religiös bedingten Herrschaftskonzeptionen: dem islamisch-egalitären Herrscherideal, welches den Herrscher dem „heiligen Recht“ (šarī⁽a) unterstellt, und der aus dem vorislamischen Iran übernommenen Vorstellung eines von Gott ernannten Herrschers. Vorstellungen dieser Art prägen das islamische Staatsverständnis bis hinein in die Gegenwart.