In publica commoda

In Gedenken an Ulf Diederichsen

Nr. 36 - 12.11.2021

Die Universität Göttingen trauert um den Chemiker und ehemaligen Vizepräsidenten Prof. Dr. Ulf Diederichsen, der am 11. November 2021 gestorben ist. Wir sind von seinem plötzlichen Tod tief betroffen.

 

Ulf Diederichsen war seit 2001 Professor am Institut für Organische Chemie der Universität Göttingen, das er von 2008 bis 2014 auch leitete. Von 2005 bis 2007 war er Dekan der Fakultät für Chemie.

 

Er studierte Chemie an der Universität Freiburg und wechselte zur Promotion an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Es folgten ein Postdoktorat an der University of Pittsburgh in den USA und Arbeiten zur Habilitation über artifizielle Nukleinsäurestrukturen an der Technischen Universität München. 1999 nahm er einen Ruf auf die C3-Professur für Organische Chemie an der Universität Würzburg an, 2000/2001 war er als Goering Visiting Professor an der University of Wisconsin in Madison (USA) tätig. Zum April 2001 folgte er dem Ruf an die Universität Göttingen.

 

Seine Arbeiten wurden 1999 mit dem Preis der Hellmut-Bredereck-Stiftung sowie dem Stipendium der Karl Winnacker-Stiftung ausgezeichnet. Seine Forschungsinteressen galten den Biomolekülen und deren Interaktionen. Durch rationales Design entwickelte er synthetisch modifizierte Analoga von Peptiden und kleinen Proteinen sowie Nukleinsäuren, die es ihm erlaubten, nicht nur biologisch-relevante Prozesse aufzuklären, sondern auch Biomoleküle bereitzustellen, die für die Diagnostik in der Biomedizin ebenso bedeutsam wurden wie in der modernen Bildgebung. Seine hohe synthetische Kompetenz zeichnete ihn dabei in besonderer Weise aus. Seine interdisziplinären Forschungsarbeiten bildeten eine ideale Brücke zwischen der organischen Synthesechemie und der molekularen Analyse von biologisch-medizinisch relevanten Prozessen.

 

Ulf Diederichsen war langjähriger Sprecher der Konferenz der Fachbereiche Chemie (KFC), Beiratsmitglied im Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultätentag (MNFT) und von 2008 bis 2016 Fachkollegiat und Sprecher im DFG-Fachkollegium 305 "Biologische Chemie und Lebensmittelchemie". Er war Mitglied im Vorstand des Institute for Biostructural Imaging of Neurodegeneration (BIN) sowie Editor-in-Chief für das Journal of Peptide Science. Diederichsen war über die gesamte Laufzeit von 2009 bis 2021 Vizesprecher des SFB 803 "Funktionalität kontrolliert durch Organisation in und zwischen Membranen".

 

Von 2015 bis 2021 war Ulf Diederichsen für zwei Wahlperioden Vizepräsident für Forschung der Universität Göttingen. Er stellte hierfür seine eigene wissenschaftliche Tätigkeit hintenan, ohne sie je ruhen zu lassen, und übernahm im Prozess der Strategiebildung der Universität Verantwortung bei der Weiterentwicklung des Forschungsprofils. Es war seine ruhige, ausgeglichene und empathische Art, die es ihm ermöglichte, den nicht immer einfachen Prozess der Profilbildung verständnisvoll, kollegial und kompetent zu moderieren und die Göttinger Forschungslandschaft so entscheidend voranzubringen. Dabei konnte er sich auf die hohe Anerkennung und Akzeptanz durch Kolleginnen und Kollegen stützen, die seine Fairness, Offenheit, vor allem aber seinen hohen Sachverstand schätzten.

 

Im Oktober 2020 wurde Ulf Diederichsen Präsident der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, deren ordentliches Mitglied er seit 2012 war.

 

Ulf Diederichsen fühlte sich der Universität Göttingen eng verbunden und hat sich in fairer und selbstloser Weise immer wieder für die Belange der Georgia Augusta eingesetzt. Er hinterlässt an der Universität und am Göttingen Campus eine Lücke, die sich kaum schließen lassen wird. Wir sind ihm zu tiefem Dank verpflichtet und werden ihn vermissen.