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Presseinformation: Männliche Gelbe Spinnerameisen sind Chimären

Nr. 64 - 27.04.2023

Internationales Forschungsteam entdeckt neuartiges Fortpflanzungssystem im Tierreich

 

(pug) Ihre unberechenbaren Bewegungen geben ihr den Namen: die Gelbe Spinnerameise, Anoplolepis gracilipes. Sie zählt zu den schädlichsten invasiven Arten der Welt. Typisch für invasive Ameisen bilden sie in Australien Dutzende Kilometer große Superkolonien, und auf den Weihnachtsinseln drohen sie die Rote Landkrabbe auszurotten. Auch aus einem anderen Grund hebt sich die Art ab: Ein Forschungsteam aus der Schweiz, Thailand und Deutschland fand heraus, dass der Körper der Männchen aus einem Mosaik von Zellen zweier genetischer Abstammungslinien besteht. Die Ergebnisse wurden in Science veröffentlicht. 

 

Der Befund ist ungewöhnlich und einzigartig. Bei den meisten mehrzelligen Tieren enthält jede Zelle die mütterlichen und väterlichen Erbinformationen in einem doppelten Chromosomensatz. Das gilt auch für die Königinnen und Arbeiterinnen von sozialen Insekten. Männliche soziale Insekten entwickeln sich hingegen aus unbefruchteten Eiern. Ihre Zellen besitzen deshalb nur einen Chromosomensatz, und zwar den mütterlichen. Bei den Männchen der Gelben Spinnerameise ist es anders: Jedes Individuum besitzt den mütterlichen und den väterlichen Chromosomensatz, aber nur einen der beiden pro Zelle. Das heißt, der Körper besteht aus genetisch unterschiedlichen Zellen. Dies macht die Männchen zu Chimären.

 

Dr. Jochen Drescher, der heute an der Universität Göttingen forscht, führte zu diesem Phänomen im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Universität Würzburg Kreuzungsexperimente durch. Er berichtet: „Ich habe die genetische Zusammensetzung von Königinnen, von den Spermien, die sie in einem speziellen Organ speichern, und von ihren Nachkommen bestimmt. Schon da war klar, dass die Fortpflanzung der Gelben Spinnerameise außergewöhnlich ist. Das zeigte sich besonders bei den Männchen.“ Nachfolgende Experimente mit neuen Markern und zusätzlichen Analysen ergaben schließlich, dass die Männchen Chimären sind. „Viele Fragen sind noch offen“, erklärt Drescher. „Niemand weiß, ob auch andere Organismen ein Fortpflanzungssystem haben, in dem mütterliche und väterliche Abstammungslinien miteinander konkurrieren. Ungeklärt ist auch, wie dieses einzigartige Fortpflanzungssystem zum Erfolg der Gelben Spinnerameise als invasive Art beiträgt, zum Beispiel, indem dadurch negative Auswirkungen der häufig auftretenden Inzucht ausbleiben.“

 

Originalveröffentlichung: H. Darras et al. Obligate chimerism in male yellow crazy ants. Science 2023, DOI: 10.1126/science.adf0419

 

Kontakt:

Dr. Jochen Drescher

Georg-August-Universität Göttingen

Johann-Friedrich-Blumenbach Institut für Zoologie & Anthropologie

Telefon: 0551 39-25800

E-Mail: jdresch@gwdg.de

Internet: www.uni-goettingen.de/en/414796.html