In publica commoda

Presseinformation: Die Akte „Oppie“

Nr. 119 - 26.07.2023

Robert Oppenheimer wurde 1927 an der Universität Göttingen promoviert

 

(pug) Aktuell läuft in den Kinos Christopher Nolans Film über Robert Oppenheimer (1904 bis 1967), den „Vater der Atombombe“. Seine Göttinger Kommilitonen nannten ihn „Oppie“. An der Universität Göttingen wurde er 1927 in nur sechs Monaten zum Doktor promoviert. Seine Promotionsakte im Universitätsarchiv gibt davon Zeugnis.

 

Göttingen war zu dieser Zeit das Zentrum der Quantenphysik, eines völlig neuen Forschungsgebiets. An Max Borns Lehrstuhl für Theoretische Physik entstanden bahnbrechende wissenschaftliche Arbeiten, zum Beispiel von Werner Heisenberg. Studierende und Graduierte aus aller Welt pilgerten nach Göttingen zu den Physikalischen Instituten an der Bunsenstraße. Viele kamen aus den USA, wo Born die neuen Theorien 1926 durch eine Serie von Gastvorlesungen bekannt gemacht hatte. Einer von ihnen war Robert Oppenheimer.

 

Brillant, kultiviert und selbstsicher bis zur Arroganz – so erlebten ihn seine Kommilitonen und sein Professor. Mit anderen Amerikanern logierte er in einem Haus am Geismar Tor bei dem Göttinger Arzt Cario, dessen Sohn selbst Physik studierte und später ein bedeutender Fachvertreter werden sollte. Aus Cambridge quartierte sich der gerade promovierte Quanten-Pionier Paul Dirac bei Cario ein. Es muss ein inspirierendes Umfeld gewesen sein.

 

So profitierte Oppenheimer von der vielfach bezeugten weltoffenen und innovativen Atmosphäre der Göttinger Physik. Selbst eckte er aber an. Im Seminar unterbrach er besserwisserisch nicht nur seine Kommilitonen, sondern sogar Born. Eine Gruppe von Studierenden, angeführt von der späteren Nobelpreisträgerin Maria Göppert, drohte deshalb mit dem Boykott des Seminars. Born schrieb später: „Oppenheimer schuf mir größere Probleme. Er war ein sehr begabter Mann, und er war sich seiner Überlegenheit auf eine Art bewusst, die peinlich war und Scherereien machte.“

 

Für Oppenheimers Promotion diente der bereits bei der Zeitschrift für Physik eingereichte Aufsatz „Zur Quantentheorie kontinuierlicher Spektren“ als Dissertation. Born bewertete sie mit „ausgezeichnet“ und schrieb: „Es handelt sich um eine wissenschaftliche Leistung von hohem Rang, die weit über den durchschnittlichen Dissertationen steht. Der einzige Mangel der Arbeit besteht darin, daß sie schwer lesbar ist.“ Aber beinahe wäre es soweit nicht gekommen: Oppenheimer hatte sich im November 1926 wegen eines nachlässig verfassten Lebenslaufs nur als Gasthörer immatrikulieren können; damit war er zur Promotion nicht zugelassen. Nach einer Intervention der Fakultät beim preußischen Kultusministerium und einem etwas ausführlicheren Lebenslauf konnte Oppenheimer am 11. Mai 1927 das Rigorosum ablegen. Zwei Wochen später wurde er mit der Doktorurkunde promoviert, und zwar nach alter Sitte auch als Quantenphysiker zum „Doktor der Philosophie“. Danach verließ „Oppie“ Göttingen. Der Rest ist Geschichte.

 

Seine Promotionsakte gehört heute als eine von über 9.500 solcher Akten allein aus Mathematik und Naturwissenschaften zu den Beständen des Universitätsarchivs Göttingen. Das Archiv verwahrt die historischen Promotionsakten aller Fakultäten seit der Gründung der Universität und stellt sie der wissenschaftshistorischen Forschung zur Verfügung.

 

Kontakt:

Dr. Holger Berwinkel

Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

Universitätsarchiv

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