In publica commoda

Presseinformation: Bananenflanke in der Mikrowelt

Nr. 135 - 21.09.2023

Forschende weisen Magnus-Effekt auf mikroskopischer Ebene nach

 

(pug) Ob man den Magnus-Effekt begrifflich kennt oder nicht, man hat ihn sicherlich schon gesehen: Er sorgt für die gekrümmte Flugbahn angeschnittener Sportbälle, im Fußball auch „Bananenflanke“ genannt. Das Prinzip kommt als Antriebsmechanismus für Schiffe (Flettner-Rotor) zum Einsatz und kann auch für den Auftrieb eines Flugzeugs sorgen. Forschende wiesen nun nach, dass der Magnus-Effekt auch auf mikroskopischer Ebene existiert und dort unter bestimmten Bedingungen sogar sehr groß werden kann. Ein Team der Universität Göttingen erklärte dabei theoretisch, was ein Team der Universität Konstanz zuvor experimentell entdeckt hatte. Mit den Erkenntnissen lassen sich neuartige Bewegungsmechanismen für mikroskopische Teilchen realisieren, die sich so präzise kontrollieren lassen. Ein denkbares Anwendungsfeld sind zukünftige Miniroboter, die sich durch die Blutbahn bewegen und gezielt Positionen im Körper ansteuern. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Physics erschienen.

 

Der Magnus-Effekt lässt sich immer dann beobachten, wenn sich ein rotierendes Objekt durch Luft oder eine Flüssigkeit bewegt. Durch den Drall wird die Strömung im umgebenden Medium so verformt, dass Geschwindigkeitsunterschiede auf den gegenüberliegenden Seiten des Objekts entstehen. Dies führt zu einer Kraft, die das Objekt von einer geraden Bewegungsbahn ablenkt. Der Effekt wird mit abnehmender Größe des Objekts immer kleiner. Bei Kugeln mit einer Größe von wenigen Mikrometern (eintausend Mikrometer sind ein Millimeter) sollte er nahezu vollständig verschwinden.

 

In ihren Experimenten beobachteten die Forschenden der Universität Konstanz jedoch einen unerwartet großen Magnus-Effekt bei magnetischen Miniglaskugeln, die durch ein rotierendes Magnetfeld in eine Drehbewegung gesetzt wurden und sich mit konstanter Geschwindigkeit durch eine viskoelastische Flüssigkeit bewegten. Im Unterschied zu Wasser vereinigen viskoelastische Flüssigkeiten wie Blut und Polymerlösungen flüssige und elastische Eigenschaften. Sie verhalten sich ähnlich wie ein Hefeteig, der nach kurzem Eindellen langsam die ursprüngliche Form annimmt: Sie reagieren verzögert auf Veränderung.

 

Dr. Debankur Das und Prof. Dr. Matthias Krüger vom Institut für Theoretische Physik der Universität Göttingen deckten anhand von Modell-Rechnungen auf, dass genau diese Verzögerung für den Magnus-Effekt in der Mikrowelt verantwortlich ist: Die viskoelastische Flüssigkeit folgt der rotierenden Kugel nicht unmittelbar und wird dadurch verzerrt. Die Verzerrung bewegt sich mit der Kugel und drückt sie dabei zur Seite. Die Verzögerung tritt auch auf, wenn die Rotation abrupt stoppt: Anders als bei Sportbällen in der Luft verschwindet der Magnus-Effekt bei mikroskopisch kleinen Kugeln in viskoelastischer Flüssigkeit nicht sofort, sondern wirkt einige Sekunden nach. Krüger erklärt: „Das war der Schlüssel zum Verständnis. Unser Modell sagte das Nachwirken vorher. Als wir dieses aus den experimentellen Daten auslesen konnten, war das Rätsel um den Magnus-Effekt in der Mikrowelt gelöst.“

 

Originalveröffentlichung: Xin Cao et al. (2023). Memory-induced Magnus effect, Nature Physics. DOI: 10.1038/s41567-023-02213-1

 

Kontakt:

Dr. Debankur Das

Georg-August-Universität Göttingen

Institut für Theoretische Physik

Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen

E-Mail: debankur.das@uni-goettingen.de

 

Prof. Dr. Matthias Krüger

Georg-August-Universität Göttingen

Institut für Theoretische Physik

Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen

Telefon: 0551 39-27048

E-Mail: matthias.kruger@uni-goettingen.de