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Presseinformation: Agrarlandschaften renaturieren mit Rückhalt der Gesellschaft

Nr. 194 - 09.12.2025

Forschungsteam entwickelt sozial-ökologische Leitlinien für EU-Naturschutzverordnung

 

(pug) Wie lassen sich Europas Agrarlandschaften so wiederherstellen, dass die Ökosysteme und auch die Gesellschaft profitieren? Eine starke Verbindung zwischen Menschen und ihrer Umwelt ist zentral für den Erfolg der neuen EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur. Das zeigen Forschende der Universitäten Göttingen und Kassel sowie der Charles Darwin University (Australien). Die EU-Verordnung gilt wissenschaftlich als entscheidender Schritt im Naturschutz. In Gesellschaft und Politik stößt sie jedoch auf Vorbehalte. In ihrem Beitrag formulieren die Forschenden Empfehlungen für eine sozial inklusive Umsetzung der Pläne. Er wurde in der Fachzeitschrift Restoration Ecology veröffentlicht.

 

Die Verordnung verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten, 20 Prozent der geschädigten Ökosysteme wie Wälder, Moore oder Agrarlandschaften bis 2030 wiederherzustellen. Was in der Wissenschaft befürwortet wird, ist in Gesellschaft und Politik umstritten. Um die Hürden zu verringern, identifizieren die Forschenden fünf sozial-ökologische Dimensionen, die für Akzeptanz und Wirksamkeit maßgeblich sind: (1) Landschaften als Lernorte nutzen; (2) ländliches und landwirtschaftliches Kulturerbe einbeziehen; (3) Landnutzende zu eigenverantwortlichem Handeln befähigen; (4) multifunktionale Landnutzung unterstützen und (5) partizipative, kooperative Vorgehensweisen verankern. „Durch gesellschaftliche Trends wie Agrarstrukturwandel, Urbanisierung und Digitalisierung sind viele Verbindungen zwischen Menschen und Natur verloren gegangen. Vielfältige Möglichkeiten, die Natur zu erleben, sind aber entscheidend für eine dauerhaft erfolgreiche und gesellschaftlich akzeptierte Wiederherstellung der Biodiversität in unseren Agrarlandschaften“, erklärt Erstautor Abul Polas, ehemals Doktorand an der Universität Kassel und inzwischen an der Universität Göttingen beschäftigt.

 

Anhand verschiedener Beispiele aus Deutschland zeigt das Forschungsteam, wie sozial-ökologische Ansätze die Akzeptanz und Umsetzung von Renaturierungsprojekten verbessern können. So könnten Maßnahmen durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Naturschutz, Verwaltung und Forschung – etwa über lokale „Restoration Councils“ oder Landschaftspflegeverbände – umgesetzt werden. Die Multifunktionalität renaturierter Flächen könnte durch den Abbau politischer Hürden für Agroforstsysteme oder Paludikultur gefördert werden. Außerdem könnten kulturell bedeutsame Landschaftselemente wie Streuobstwiesen, traditionelle Nutzungspraktiken wie Schafhaltung oder regional erzeugte Lebensmittel systematisch geschützt, sichtbar gemacht und in Restaurierungsprogramme eingebunden werden. „Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur bietet eine große Chance. Damit sie in Zeiten vielfacher ökologischer und gesellschaftlicher Krisen ein Erfolg wird, müssen soziale und ökologische Aspekte zusammen gedacht werden“, betont Prof. Dr. Tobias Plieninger, Leiter des Fachgebiets Sozial-ökologische Interaktionen in Agrarsystemen an den Universitäten Göttingen und Kassel.

 

Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.

 

Originalveröffentlichung: Polas, A. B., Topp, E., Ahammad, R., Jay, M., Kmoch, L. & Plieninger, T. Strengthening human–nature connections in agricultural landscapes through the EU Nature Restoration Regulation. Restoration Ecology (2025). DOI: 10.1111/rec.70278

 

Kontakt:

Prof. Dr. Tobias Plieninger

Georg-August Universität Göttingen & Universität Kassel

Fachgebiet Sozial-ökologische Interaktionen in Agrarsystemen

E-Mail: plieninger@uni-goettingen.de