Vorbereitungen für den Glücksfall
Nr. 33.5 - 27.10.2025
Aktuelle Studien bereiten künftigen Umgang mit Marsproben auf der Erde vor
(mps/pug) Der Mars ist ein unwirtlicher und lebensfeindlicher Wüstenplant. Vor Milliarden von Jahren war das anders. Im Jezero-Krater zum Beispiel erstreckte sich wohl, gespeist von einem weit verzweigten Flussdelta, eine beträchtliche Wasserfläche in etwa von der Größe des Bodensees. Dort könnten lebensfreundliche Bedingungen geherrscht haben. Seit mehr als vier Jahren ist der längst ausgetrocknete Jezero-Krater der Arbeitsplatz von Perseverance. Der NASA-Rover führt nicht nur Messungen vor Ort durch, sondern hat bereits 33 Gesteins-, Boden- und Atmosphärenproben entnommen und zum Teil sicher an Bord verstaut. Eine künftige Mission soll sie zur Erde bringen.
In den vergangenen zwei Jahren hat ein internationales Team aus 21 Forschenden unter Leitung der amerikanischen und europäischen Weltraumagenturen NASA und ESA ausgelotet, wie mit den Proben von Perseverance aus wissenschaftlicher Sicht auf der Erde zu verfahren ist. Die umfangreiche Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift Astrobiology veröffentlicht. Zu den Autorinnen und Autoren, die NASA und ESA aus zahlreichen Bewerbungen aus den USA, Kanada und den 22 ESA-Mitgliedsstaaten ausgewählt hat, zählen als einzige Vertreter deutscher Forschungseinrichtungen Dr. Christian Schröder vom MPS und Prof. Dr. Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen. Die NASA hat das Team vor Kurzem mit dem NASA Group Achievement Award ausgezeichnet. In einem weiteren Bericht in derselben Zeitschrift gehen Forschende der Frage nach, wie die Marsproben vor irdischen Verunreinigungen geschützt werden können. Einer der Koautoren ist Dr. Christoph Burkhardt vom MPS.
Die Proben, die der Mars-Rover Perseverance gesammelt hat, enthalten wertvolle Informationen über die Entstehung und weitere Entwicklung des Mars und können helfen, die Frage zu klären, ob es je Leben auf unserem Nachbarplaneten gegeben hat. Messungen, die Perseverance vor Ort auf dem Mars durchgeführt hat, sprechen dafür, bieten aber keine Gewissheit. „Um mit größtmöglicher Sicherheit einschätzen zu können, ob es auf dem Mars einst Leben gab, müssen wir Proben vom Mars auf die Erde bringen und hier untersuchen“, sagt Schröder. Die vergleichsweisen kleinen und wenigen Messinstrumente, die Perseverance an Bord trägt, bieten nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Nur auf der Erde können verschiedenste Analysemethoden zum Einsatz kommen und nur hier lassen sich Messungen mit höchster Empfindlichkeit und Präzision durchführen. „Gesteine und Proben der Atmosphäre vom Mars auf der Erde zu untersuchen, wird ein neues Kapitel der Marsforschung aufschlagen und uns helfen, unseren Nachbarplaneten viel besser zu verstehen als wir es heute können“, erläutert Pack. Beide Wissenschaftler sind auch Koautoren der aktuellen Studie.
Für ihren aktuellen Bericht haben 21 Forschende identifiziert, welchen Messungen die Marsproben unterzogen werden sollten, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Sie hoffen auf neue Erkenntnisse aus den Bereichen der Planetenentstehung, der geophysikalischen und geochemischen Entwicklung des Mars und der Astrobiologie sowie auf wertvolle Hinweise für künftige, möglicherweise auch bemannte Marsmissionen. Zudem klärt der Bericht praktische Fragen im Umgang mit den Proben: Welche Messungen müssten so schnell wie möglich erfolgen? Schließlich könnten sich, etwa unter dem Einfluss von Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff, einige Eigenschaften der Proben nach dem Öffnen der Probenröhrchen verändern. Und welche Messungen können nachweisen, ob sogar Leben in den Proben steckt oder eine eventuelle Biogefährdung ausschließen?
Die Marsproben sollen zunächst in einer Art wissenschaftlichen Auffangstation aufgenommen werden, der Sample Receiving Facility. Nach Empfehlung der Expertinnen und Experten soll diese mit 18 wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet werden, darunter Röntgentomograf, Elektronenmikroskop und verschiedene Massenspektrometer. In der Auffangstation würden Mitarbeitende die Proben zunächst für den weiteren Gebrauch beschreiben und katalogisieren sowie die mögliche Biogefährdung, die von ihnen ausgehen könnte, einschätzen. Danach könnten all diejenigen Untersuchungen erfolgen, die zeitkritisch sind. Eine wichtige Erkenntnis des Berichts: Ein Großteil der wissenschaftlich notwendigen Messungen soll später außerhalb der Auffangstation in spezialisierten Laboren erfolgen. Darüber, welche Labore weltweit Teile des kostbaren Materials erhalten, wird eine Art Bewerbungsverfahren entscheiden. Das Vorgehen stellt sicher, dass die Proben in die erfahrensten und qualifiziertesten Hände gelangen. Die Göttinger Forscher hoffen sowohl auf Gesteins- als auch auf Gasproben von Perseverance.
Die Forschenden um Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen wollen vor allem die Mengenverhältnisse der Sauerstoff-Isotope in der Marsatmosphäre bestimmen, die zusammen mit den Gesteinen in den Probenröhrchen eingeschlossen wurde. Isotope sind Spielarten desselben Elements, die sich allein durch die Anzahl der Neutronen im Kern unterscheiden. Die Sauerstoff-Isotopen-Zusammensetzung der Marsatmosphäre erlaubt Rückschlüsse auf den Austausch von Kohlendioxid zwischen Oberfläche und Atmosphäre und liefert beispielsweise Erkenntnisse über die klimatische Entwicklung auf unserem Nachbarplaneten.
Am MPS liegt der Fokus auf den Metallisotopen in den Gesteinsproben. Ihnen könnten die Forschenden Informationen über das Alter des Materials entnehmen, wo im Sonnensystem es seinen Ursprung und wie es sich weiterentwickelt hat. MPS-Forschende haben auf diese Weise bereits Proben des Asteroiden Ryugu untersucht. Dafür wird das Material zunächst in Säure aufgelöst und dann in hochspezialisierten Massenspektrometern analysiert. Da das Probenmaterial bei dieser Untersuchungsmethode zerstört wird, ist es entscheidend, selbst kleinsten Materialmengen verlässliche Messergebnisse abzuringen. „Am Standort Göttingen haben wir die Expertise und die Infrastruktur, um Marsproben auf höchstem internationalen Niveau zu untersuchen", so MPS-Direktor Prof. Dr. Thorsten Kleine. Weitere Untersuchungen könnten die Forschenden an anderen Einrichtungen durchführen. Schröder beispielsweise setzt auf Messungen mit hochenergetischer Gammastrahlung, die an Teilchenbeschleunigern entsteht. Auf diese Weise ließe sich der Wechselwirkung von Eisenmineralien in der Probe mit organischem Material nachspüren.
Ob und wann die Marsproben von Perseverance als Teil einer gemeinsamen Mission von NASA und ESA zur Erde reisen, ist aktuell unklar. Der ursprüngliche Zeitplan peilte die frühen 2030er Jahre an, wurde aber in der Zwischenzeit mehrfach geändert. Die jetzt veröffentlichten Studien sind jedoch auch für die Vorhaben anderer Weltraumbehörden wertvoll. So bereitet die chinesische Raumfahrtbehörde derzeit eine eigene Probenrückholmission zum Mars vor, die das ersehnte Material bereits 2030 zur Erde bringen soll.
Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Pack
Georg-August-Universität Göttingen
Geowissenschaftliches Zentrum
Abteilung Geochemie und Isotopengeologie
Telefon: (0551) 39-23974
E-Mail: apack@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/78572.html
Pressemitteilung und Kontakte Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung