Vorwort

Liebe Leserin und lieber Leser,

die Baustelle Europa bietet wie jede Großbaustelle ein sehr unterschiedliches Bild. An manchen Stellen tut sich gar nichts, an anderen wird eifrig und mit hohem materiellem Einsatz gearbeitet. Die einzelnen Teile ihrerseits zeigen ebenfalls oft ein Durcheinander. Nicht nur Laien fragen sich: Soll das einmal der schöne Bau Europa werden? Welchen Eindruck können Besucher mit nach Hause nehmen? Grundsätzlich gefragt: Welches Bild will die Bauleitung ihren Besuchern vermitteln? Ja, möchten die überhaupt ein Bild, oder werfen sie beim Rundgang nur kurze Blicke auf das Gebotene, wenn sie von der Planungsabteilung bis zu den schon fertigen Teilen gehen?

Die Optimierung von Wirtschaft und Finanzen als einziges Ziel für Europa wurde auch dem letzten Europäer spätestens bei der jüngsten Talfahrt der Börsen fraglich. Wie leben wir? Wie wollen wir leben? Wo sind fahrbare Wirtschaftswege? Wenn es sie gibt, was sollen sie miteinander verbinden? Wie sollen sie ausgebaut werden? Wo finden wir Kultur und Erholung?

Mit diesen Fragen tun sich gleichsam eigene Baustellen auf der Baustelle Europa auf. Das vorliegende Jahrbuch ist ein Spiegelbild. Es sucht in verschiedener Richtung nach Möglichkeiten, damit Menschen in Gerechtigkeit und Frieden miteinander leben können. Wie ein Bau nur im Zusammenspiel aller Beteiligen funktioniert, können Menschen nur gemeinsam leben in Gesellschaft, Kultur, Religion, Wirtschaft usw. – in einer eben dadurch lebenswerten, ja schönen Welt.

Eindrücklich beschreibt die Bibel die Gemeinschaft mit dem in der Antike geläufigen Bild des menschlichen Leibes und seiner verschiedenen Gliedmaßen. Alle brauchen einander. Das ist darum Ziel und Grund für Gerechtigkeit und Frieden. Paulus geriet deshalb bei der Formulierung der Zusammenfassung seiner Ausführungen ins Poetische. Er schreibt, wie es in der schönen alten englischen Übersetzung heißt:

And whether one member suffer, all the members suffer with it; or one member be honoured, all the members rejoice with it.

Ihr
Ulrich Nembach
zugleich für die Mitherausgeber und Konsultatoren


Inhalt

VORWORT

1. Europa in der Welt

1.1 Politisch gesehen

WERNER LANGEN
Reformbedarf und Entscheidungsstrukturen in einer erweiterten Europäischen Union.
Mit dem Konvent auf dem Weg zu einem Europäischen Verfassungsvertrag

1.2 Religiös gesehen

JEFFREY HAYNES
Understanding Religion and Political Change in Africa

KEISHIN INABA
Voluntary Work, Altruism and Religion in Europe.
Theoretical Perspectives of Motivation

HUGALD GRAFE
Muslimische Frömmigkeit und ihre Perversion.
Fundamente und Fundamentalismus

ANNEMARIE SCHIMMEL (†) im Gespräch mit FELIZITAS GRÄFIN VON SCHÖNBORN
Leben ist Brückenschlagen

KLAUS SCHWARZWÄLLER
Erlösung in Märchen und Religion

1.3 Theologisch gesehen

MICHAEL SIEVERNICH SJ
Globalisierung der Verantwortung


2. Kirche in der Welt

2.1 Institutionell gesehen

GERHARD MÜLLER
Das Papstamt und das Luthertum.
Gottfried Seebaß zum 65. Geburtstag

CHRISTOPH D. MÜLLER
Homophile Menschen in der Kirche. Die Konkretion als „révélateur“.
Zu einer Publikation der Theologischen Kommission des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes zur Frage der „Gleichgeschlechtlichkeit“

FRIEDRICH-OTTO SCHARBAU
Zur wieder aufgelebten Strukturdebatte in der EKD.
Does form follow function?

MARIA WIDL
Geistliche Bewegungen in der Erzdiözese Wien.
Laienfrömmigkeit zwischen Tradition und Moderne

2.2 Theologisch gesehen

LUKAS BORMANN
Bibelauslegung als Kraft gesellschaftlicher Änderung

ALOIS SCHIFFERLE
Eichstätt – eine kirchliche Universität – und ihre Gesichter

WERNER H. SCHMIDT
„Was ist der Mensch?“
Alttestamentliche Einsichten

JÜRGEN WERBRICK
Zwiesprache mit Gott oder Erhebung zum Göttlichen?
Fundamentaltheologische Reflexionen zum Gebet

2.3 Medial gesehen

HELMUT H. KOCH
Gefangene und Öffentlichkeitsarbeit

MICHAEL SCHIBILSKY
Zeitzeichen.
Zur Entwicklung einer gemeinsamen evangelischen Monatszeitschrift

SABINE BOBERT
E-Prayer und Andachtsabo.
Überlegungen zur Homiletik und Liturgik im Kontext heutiger Alltagskultur im Internet

ALFRED SUHL
Zur paulinischen Chronologie.
Vorstellung einer Website und ihrer Hauptergebnisse

2.4 Schulisch gesehen

MICHAEL MEYER-BLANCK
Tradition – Integration – Qualification.
Some Reflections on Religious Education in European Schools

REINHOLD MOKROSCH
Wie bewerten junge Erwachsene (Theologiestudierende) die Embryonenforschung?
Beobachtungen vor und nach einer Erarbeitung dieser Problematik

KLAUS PETZOLD
Die Religionspädagogik im Zentrum für Didaktik (ZfD) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Ein Beispiel für den Weg der Religionspädagogik in den interdisziplinären Dialog und den fächerübergreifenden Unterricht

ANSCHRIFTEN der Autoren, Herausgeber und Konsultatoren