Synaptische Plastizität, die erlernter Geruchstrennschärfe und Konditionierung zweiter Ordnung bei Drosophila zu Grunde liegt

Aversives assoziatives Erlernen von schädlichen oder schmerzhaften Reizen befähigt Tiere und Menschen dazu, gefährliche Situationen vorherzusehen und zu vermeiden, was von grundlegender, überlebenswichtiger Bedeutung ist. Um zu vermeidende Situationen vorherzusehen, aber gleichzeitig die Vermeidungsreaktion nicht auf ähnliche, harmlose Reize zu übertragen, sollte das assoziative Gedächtnis weder zu spezifisch noch zu umfassend sein. Insofern muss bei klassischem, assoziativem Lernen eine angemessene Balance zwischen Generalisierung und Diskriminierung sichergestellellt sein. Diese Balance zwischen Generalisierung und Diskriminierung ist selbst Gegenstand von Lernen: Durch diskriminatives Training können Tiere und Menschen lernen, die genaue Zusammensetzung eines relevanten Reizes zu bestimmen und ihn dadurch von ähnlichen, aber nicht gleichermaßen relevanten Reizen zu unterscheiden. Dieses Phänomen bezeichnen wir als "acuity learning". Es ist charakterisiert durch das differenzielle, bi-direktionale Zuweisen von Relevanz zu distinkten Teilen von überlappenden neuronalen Repräsentationen ähnlicher Reize. Eine damit in Beziehung stehende Art von Lernen bezieht sich auf die Konditionierung zweiter Ordnung. Hierbei werden Assoziationsketten zwischen konditionierten Reizen und neuen, neutralen Reizen aufgrund ihrer zeitlichen Nachbarschaft gebildet: ein vormals trainierter, konditionierter Reiz dient als unkonditionierter Reiz in einem folgenden Training zweiter Ordnung. Die neuronalen Schaltkreise und Regeln synaptischer Plastizität, die diesen sehr grundlegenden Arten von Lernen zu Grunde liegen, sind nicht gut bekannt. Der Pilzkörper von Drosophila bietet ein einzigartiges Modellsystem, um genau dies zu analysieren. Zum einen kann die differenzielle Kodierung ähnlicher oder unähnlicher Duftreize durch Kenyonzell-Ensembles visualisiert werden. Zum anderen kann synaptische Aktivität und deren Änderung, induziert durch assoziatives Lernen, in Pilzkörper-assoziierten Neuronen beobachtet werden. Hier wird vorgeschlagen, synaptisch lokalisierte Fluoreszenzsensoren zu verwenden, die in intrinsischen und extrinsischen Pilzkörper-Neuronen (Kenyonzellen, dopaminerge Neurone und Pilzkörper-Ausgangsneurone) exprimiert werden, und systematisch Änderungen in synaptischem Kalzium-Einstrom und in der Transmitter-Freisetzung als Folge von "acuity learning" und "second order conditioning" zu analysieren. Weiterhin wird eine zellspezifische, temperaturabhängige Blockierung der Transmitter-Freisetzung angewandt, um diejenigen synaptischen Verbindungen zu bestimmen, die für die entsprechenden Lernparadigmen notwendig sind. Diese Versuche sollen klären, wie "acuity learning" und Konditionierung zweiter Ordnung neuronal realisiert werden und sind dabei eng in den Kontext der Forschergruppe eingebettet. In Zusammenarbeit mit Teilprojekt 4 (Prof. Nawrot) werden die Ergebnisse der Experimente in ein umfassendes in-silico-Modell der Pilzkörperfunktion eingegliedert.