In eigener Sache: Zur Fakultätsratssitzung am 04. März 2020

In eigener Sache
Zur Fakultätsratssitzung am 4. März 2020

I.
Die Philosophische Fakultät ist nicht nur die zweitgrößte unserer Universität, sondern zugleich die diverseste. Neben Großinstituten mit bis zu 15 Professuren gibt es Seminare mit nur einer Professur. Die Erforschung alter Sprachen wird Seite an Seite mit Projekten betrieben, die sich mit globaler Großstadtkultur des 21. Jahrhunderts befassen.
Die Verantwortung vor der Tradition mit dem wachen Blick auf das Neue zu kombinieren – das ist die große Herausforderung für alle Angehörigen der Fakultät gewesen, die sich seit Jahren für die Weiterentwicklung unserer Wissenschaften engagiert haben. Wir meinen, dass sich die Früchte dieses Engagements durchaus sehen lassen können. So haben wir es in den letzten Jahren nicht nur geschafft, unsere Leistungen in Forschung und Lehre weiter zu betreiben, sondern wir haben unter dem Dach der „PhilFak“ viel Neues initiiert: Die Erforschung Ostasiatischer Geschichte und Gesellschaft; die intensivierte Erforschung arabischer und islamischer Kulturen; zahlreiche Neuerungen im Bereich der „Digital Humanities“; der Ausbau der wissenschaftlich fundierten Fachdidaktiken; die „Materialität des Wissens“ als ein neues Profil, das in Verbindung mit den akademischen Sammlungen und dem künftigen „Forum Wissen“ ein besonderes Asset der Georgia Augusta sein wird.
Ohne diese Neuerungen wären wir unserem Forscherethos untreu geworden. Denn eine Wissenschaft, die sich nicht weiterentwickelt, kann es nach menschlichem Ermessen auf Dauer nicht geben.


II.
Leicht ist uns diese Arbeit nicht gefallen, denn wir erfuhren zwar von vielen Seiten freundliche Ermunterung, wenn es darum ging, Neues zu beginnen. Doch die finanzielle Ausstattung der Fakultät hielt mit dieser ideellen Unterstützung und den Erwartungen keineswegs Schritt. Das Sachmittelbudget, aus dem wir unsere laufenden Kosten zu begleichen haben, ist immer noch dasjenige der sogenannten „Niedersächsischen Hochschuloptimierung“ von 2003! Es wurde seither nicht einmal der Inflation angepasst, während beispielsweise die gesetzlichen Stundenlöhne der studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte, die wir daraus bezahlen, um ca. 30 Prozent gestiegen sind – gut für die Hilfskräfte, aber woher hätten wir den Aufwuchs nehmen sollen?
Schon seit einiger Zeit ist uns daher bewusst gewesen, dass unsere Innovationsstrategie durch fühlbare Sparmaßnahmen zu flankieren ist. Auch diese standen unter dem Gebot, diejenigen Strukturen zu erhalten, die es uns ermöglichen, unsere Stärken auszuspielen, und zugleich solche Fächer zu reformieren, die derzeit mit schwachen Auslastungszahlen kämpfen. Seit 2007 wird durch die sogenannte „Landesformel“ ein Teil der Budgetzuweisung an die Studienanfänger*innen- und Absolvent*innenzahlen und damit an die Auslastung der Studiengänge gebunden. Damit kommt uns die Minderauslastung jener Studiengänge teuer zu stehen, bei denen trotz ihrer unbestrittenen gesellschaftspolitischen Relevanz eine den Kriterien der Landesformel gemäße Lehrauslastung kaum erreichbar ist (und angesichts der Beschäftigungschancen potentieller Absolvent*innen auch gar nicht verantwortbar wäre). Die so entstandene finanzielle Belastung ist mittlerweile so drückend, dass es zu einer großen Herausforderung geworden ist, die Solvenz unserer Fakultät für die Zukunft zu sichern. „Sichern“ soll dabei abermals heißen: Maßnahmen einleiten, die uns finanziell besser stellen, ohne dass sie in ein planloses Streichkonzert ausarten würden.



III.
Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Philosophischen Fakultät am 4. März 2020 Beschlüsse gefasst, mit denen er sich für die Zukunft eine noch strengere Haushaltsdisziplin als die ohnehin schon geltende auferlegt. Während es bisher gelungen war, die historisch gewachsene Fächervielfalt an der Fakultät fast vollständig aufrecht zu erhalten, kam mit der besagten Sitzung eine jahrelange schwierige und kontroverse Diskussion über mögliche Streichungen von Professuren zu Ende. Im Lauf der nächsten zehn Jahre sollen diesen Beschlüssen zufolge bis zu vier Professuren nicht wiederbesetzt werden, wenn die derzeitigen Inhaberinnen in den Ruhestand versetzt werden. Im Fall der Finnougristik wird dies bedeuten, dass die lange und ehrenvolle Tradition einer wissenschaftlichen Disziplin in Göttingen zu Ende gehen wird, wiewohl deren Sprachexpertise und Wissensbestände in Modulpaketen und Zertifikaten neu Eingang finden können. Diesen Beschluss zu treffen war für alle Mitglieder des Fakultätsrats besonders schmerzhaft. In den anderen drei Fällen sind Wissenschaften betroffen, die von jeweils mehr als einer Professur vertreten werden, die folglich in Göttingen auch weiterhin vertreten und studierbar sein werden – vorgesehen sind hierfür vorerst Professuren in Slavistik, Neuerer Deutscher Literatur und Romanistik. Der Plan beinhaltet die Flexibilität, je nach Entwicklung von Innovationen und Auslastung noch andere Weichenstellungen vorzunehmen, vorausgesetzt, dass die Zahl der einzusparenden Professuren erhalten bleibt. Die hiervon betroffenen Kolleginnen und Kollegen wurden über diesen Beschluss informiert und um Stellungnahmen gebeten. Flankiert werden diese Maßnahmen von einer Strategie, die durch neue, fachübergreifende Studiengänge, durch die Schärfung regionalwissenschaftlicher Profile und englischsprachige Lehrangebote den sinkenden Auslastungszahlen entgegenwirken soll. Hier steht uns viel Arbeit bevor, wozu wir Arbeitsgruppen bilden werden. Alle wachen Geister sind eingeladen, sich in diesen Prozess einzubringen.


IV.
Werden uns diese Maßnahmen aus der finanziellen Bedrängnis heraushelfen, die sich über viele Jahre aufgebaut hat? Wir haben es nicht alleine in der Hand. Denn während wir die Folgen unserer eigenen Planungen erörterten, erreichte uns die Mitteilung, dass die Niedersächsische Landesregierung ihre Hochschulen für das laufende Jahr trotz schwarzer Zahlen im Landeshaushalt mit einer Minderzuweisung konfrontiert, die für die Georgia Augusta mit 2,88 Millionen Euro zu Buche schlägt. Diese Summe muss umgelegt werden, und gleich allen Fakultäten, den zentralen Einrichtungen und der Verwaltung haben wir unseren Teil zu tragen. Es scheint, als ob man nicht in allen deutschen Bundesländern mit gleicher Voraussicht in Forschung und Lehre investiert. Dass dies zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit sowie unseres Ansehens auf nationaler und internationaler Bühne geht, liegt auf der Hand.
Also sind wir abermals gehalten zu reagieren. Es wäre eine große Hilfe, wenn die Landesregierung so weise wäre und – nicht nur für uns, sondern für sämtliche Hochschulen des Landes – die sogenannten „Kleinen Fächer“ aus ihrer „Landesformel“ herausnähme. Denn unser Engagement für die Vielfalt der niedersächsischen Wissenschaftslandschaft ist nur erfolgreich, wenn es politisch begleitet und gestützt wird.

Im Auftrag des Fakultätsrats
das Dekanat der Philosophischen Fakultät