Fernerkundliches und mikrometeorologisches Monitoring von Schad- und Wiederbewaldungsflächen im Südharz
Hintergrund
Die letzten Jahre mit ihren heißen, trockenen Sommern (2018-2020) in Kombination mit Schädlingen haben sichtbare Spuren in hiesigen Wäldern hinterlassen. Besonders in Fichtenbeständen kam und kommt es teils zum flächenhaften Absterben – zurückbleiben „Dürrständer“ (Abb. 1) und zunehmend „kahl“ werdende Waldgebiete wie im Harz (Abb. 2). Angesichts eines fortschreitenden Klimawandels und der damit verbundenen steigenden Wahrscheinlichkeit für Dürre- aber auch Starkregenereignisse stellt sich die Frage – was nun?
Abbildung 1: Kahlfläche und absterbender Fichtenbestand im Südharz
Aus ökologischer Sicht stellen Störungsflächen insbesondere unter Belassen von Totholz generell eine Chance für die biologische Vielfalt und eine natürliche Wiederbewaldung dar. Allerdings leistet das Ökosystem Wald auch zahlreiche weitere Beiträge für unsere Gesellschaft: u.a. wirtschaftliche Existenzgrundlage, erneuerbare Ressource, Hochwasser- und Erosionsschutz und Erholungsraum sind ebenfalls wichtige Waldfunktionen. In diesem Spannungsfeld ergeben sich Fragen, die nicht pauschal zu beantworten sind, beispielsweise: Welchen „Nutzen“ haben abgestorbene Fichtenbestände? Sollen Schadflächen aktiv wiederbewaldet oder sich selbst überlassen werden? Sind die heimischen Baumarten den zukünftigen klimatischen Veränderungen „gewachsen“?
Die waldbaulichen Optionen für eine Wiederbewaldung von entstandenen Schadflächen sind vielfältig und werden nicht nur innerhalb der Forstwissenschaft und Forstwirtschaft intensiv diskutiert. So ergeben sich Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit. Hier kann die geographische Forschung mit ihrem „von Natur aus“ integrativen Charakter zu einer wissenschaftlichen Diskussion beitragen.
Abbildung 2: Vom Aussichtsturm des Poppenbergs im südlichen Harz lassen sich abgestorbene Fichtenbestände erkennen (Juni 2021)
Versuchsflächen im Südharz und Beteiligung an der „Dürrständerinitiative“, ThüringenForst
Im Jahr 2021 wurde mit der „Dürrständerinitiative“ am Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha, ThüringenForst AÖR ein Monitoring von abgestorbenen Fichtenbeständen initialisiert. Als „Dürrständer“ werden hier abgestorbene, noch stehende Fichten, die kein Risiko eines sich ausbreitenden Borkenkäferbefalls mehr darstellen, bezeichnet. Ziele des Monitorings solcher Bestände sind u.a.:
- das Sammeln von Daten zur (natürlichen) Wiederbewaldung von nicht beräumten Schadflächen,
- Erkenntnisgewinn zu natürlichen Prozessen (Wasser- und Stoffkreislauf, Flora und Fauna),
- eine langfristige Risikoeinschätzung der Bestände (Sicherheit bei forstlichen und jagdlichen Maßnahmen), sowie
- das Schaffen von Praxisbeispielen für die Fort- und Weiterbildung sowie Argumentationsgrundlagen für die gesellschaftliche Diskussion.
Dazu wurden praxisorientierte Varianten zum Umgang mit Dürrständerflächen erarbeitet und in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Bleicherode-Südharz umgesetzt. Das Flächenkonzept umfasst verschiedene Varianten zum Belassen von Totholz und Pflanzungen (Abb. 3).
Abbildung 3: Flächenkonzept des Dürrständermonitorings: Erhalt der stehenden toten Fichten ohne weitere Maßnahmen (außer Wegesicherung) (0), Pflanzungen innerhalb von Dürrständern (A), Belassen der abgestorbenen Fichten bis zu einer Höhe von 2,5 m kombiniert mit Pflanzungen (B), Fläche standardgemäß aufgearbeitet und bepflanzt (C), Belassen einzelner Fichten bis zu einer Höhe von 2,5 m und Pflanzung (D), intensive Aufarbeitung und Wiederaufforstung (E) (Abbildung nach Befliegung des FFK Gotha, verändert)
Die Abteilung „Kartographie, GIS und Fernerkundung“ des Geographischen Instituts beteiligt sich seit Juni 2021 an dem Vorhaben. Ergänzend zu den oben genannten Flächen werden auch benachbarte Flächen mit Buchenmisch- und vitalem Fichtenbestand beprobt. Die Untersuchungen und Aktivitäten (Abb. 4) umfassen u.a.:
- Drohnenbefliegungen im optischen und thermalen Spektralbereich
- Aufnahme von hemisphärischen Fotos zur Ableitung biophysikalischer Parameter (Blattflächenindex/LAI, Anteil der photosynthetisch aktiven Strahlung/FAPAR, Bedeckungsgrad/FCOVER)
- Kontinuierliches Monitoring des Mikroklimas (Temperatur im, auf und über dem Boden, Bodenfeuchte)
- Multitemporale Satellitenbildauswertung (Sentinel-2, Landsat-8, Sentinel-3, MODIS)
- Betreuung von Bachelor- und Masterarbeiten
Abbildung 4: Monitoring der Schadflächen und Wiederbewaldungsmaßnahmen durch die Abteilung „Kartographie, GIS und Fernerkundung“. Oben: Drohnenbefliegung mit Aufnahmen im optischen und thermalen Spektralbereich, Mitte: Ableitung biophysikalischer Parameter mittels hemisphärischer Fotografie, Unten: kontinuierliches Monitoring des Mikroklimas auf unterschiedlichen Flächen
Mit den kontinuierlichen Messungen am Boden sowie Methoden der Fernerkundung, sowohl satellitengestützt als auch mithilfe von Drohnen, können Veränderungen der Landbedeckungs- und nutzungsform „Wald“ wie Vitalitätsverlust, flächenhaftes Absterben, Wiederbewaldung und Sukzession sowie die Folgen für das Mikroklima quantitativ erfasst werden. Insbesondere eine Kombination aus verschiedenen Sensoren, z.B. optische und thermale Fernerkundung, soll zur Beurteilung der regionalen Flächenentwicklung auf dem Weg zu einer besser an den Klimawandel angepassten Landnutzung beitragen.
Kontakt: Dr. B. Putzenlechner