Laudatio

Laudatio zur Dissertation von Shen-Yen Feng: Grund und Grenzen der strafbaren Beteiligung durch Unterlassen


Die deutsche und die Strafrechtswissenschaft des asiatischen Raums stehen traditionell in intensivem Austausch. Es ist deshalb nichts Ungewöhnliches, wenn ein junger Absolvent einer Universität in Taiwan seine Studien in Deutschland fortsetzt und hier eine Doktorarbeit verfasst. Es verdient aber besonders hervorgehoben zu werden, wenn diese Arbeit, die in einer für den Verfasser fremden Sprache geschrieben ist, tief in Grundfragen der deutschen Strafrechtswissenschaft eintaucht und so reichen wissenschaftlichen Ertrag bringt, dass sie von beiden Gutachtern mit der Höchstnote „summa cum laude“ bewertet wird.
Herr Feng hat sich dem Thema der „Beteiligung durch Unterlassen“ gewidmet. Es geht also um Fälle, in denen eine Person pflichtwidrig die Begehung einer Straftat durch eine andere Person nicht verhindert, wenn also etwa der Inhaber eines Unternehmens nicht gegen betriebsbezogene Straftaten eines Mitarbeiters einschreitet. Hier stellt sich die Frage, ob der Untätige lediglich Gehilfe zu der Tat des aktiv Handelnden ist oder eine Bestrafung als Täter verdient. Die besondere Schwierigkeit der Thematik liegt darin, dass sie am Schnittpunkt zweier ihrerseits kontrovers diskutierter Problemkreise liegt, nämlich der Lehre von den Unterlassungsdelikten und der Beteiligungslehre.
Die Leistung von Herr Feng liegt darin, dass er ausgehend von einer an Kant und Fichte anknüpfenden Philosophie der Freiheit ein Beteiligungskonzept entwickelt hat, welches die Besonderheiten der Verletzungsmacht des untätig bleibenden Garanten bereits einbezieht. Mir bleibt nur zu wünschen, dass die von Herrn Feng erbrachte Leistung auch in seiner Heimat die verdiente Würdigung erfährt und er dort seinen wissenschaftlichen Weg erfolgreich fortsetzen kann.

Prof. Dr. Uwe Murmann