Neue Vorbilder in der Philosophie etablieren

Teilprojekt 4: Sichtbarkeit strukturell sichern


Projektbeschreibung


Unser Teilprojekt unternimmt eine normative Analyse von Maßnahmen zur Steigerung der Sichtbarkeit von Frauen in der akademischen Philosophie. Wir entwickeln Entgegnungen auf skeptische Einwände, dass Maßnahmen zur Förderung der Sichtbarkeit von Frauen in der akademischen Philosophie unzulässige identitätspolitische Eingriffe in den freien Markt philosophischer Ideen sind. Denn förderpolitische Maßnahmen, die keine Entgegnungen auf ihre Kritiker*innen bereithalten, werden diese nicht mit ins Boot holen können und verspielen so die Chance zu einem strukturellen und nachhaltigen Wandel beizutragen. Unser TP fördert also die Akzeptanz der in den anderen TPs geplanten Maßnahmen und schafft somit die notwendigen Hintergrundbedingungen für deren Erfolg. Die beiden Arbeitspakete dieses TPs entwickeln dabei unterschiedliche normative Argumentationslinien, die in einer gemeinsamen Handreichung auf der Homepage des Verbundes veröffentlicht werden.

Arbeitspaket I, Male Ignorance (TU Dresden): Dieses Arbeitspaket setzt sich kritisch mit dem Narrativ des angeblich freien Marktes philosophischer Ideen auseinander, indem es zeigt, dass die momentane Unsichtbarkeit von Philosophinnen als Form epistemischer Ungerechtigkeit verstanden werden kann. Kritiker*innen von Frauenfördermaßnahmen setzen implizit voraus, dass die Kraft des besseren Arguments in einem machtfreien Raum von alleine sichtbar wird. Dagegen wird in der sozialen Epistemologie und politischen Philosophie vermehrt betont, dass der fehlende Uptake der Forschungsleistung von Frauen auch an solchen Prozessen der Wissensproduktion liegt, die durch Machtasymmetrien verzerrt sind. Scheinbar „objektive“ Wissenschaftsprozesse können durch Formen epistemischer und testimonialer Ungerechtigkeit sowie Formen des aktiven Nichtwissens untergraben werden. Analog zu dem in den critical race studies entwickelten Konzept der „white ignorance“ (Mills 2007) soll ein Konzept der „male ignorance“ erarbeitet werden. Daraus ergibt sich eine ganz neue Stoßrichtung für Frauenfördermaßnahmen (bspw. Schulungen für Männer, nicht für Frauen).

Arbeitspaket II, Quoten, Quoten, Quoten! (Georg-August-Universität Göttingen): Dieses AP prüft verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen auf ihre moralische Zulässigkeit. Insbesondere wird untersucht, inwiefern sich Maßnahmen, die auf eine Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen im Fach abzielen (wie Kanonerweiterung oder Quoten für Sammelbände oder geladene Vorträge) von politisch deutlich umstritteneren Maßnahmen wie etwa dem so genannten Canceln unterscheiden, durch das bestimmte Personen(gruppen) aktiv aus dem Diskursraum verbannt werden und mit dem Kritiker*innen gerade Bestrebungen zur Kanonerweiterung gerne gleichsetzen. Auf den ersten Blick scheinen die genannten Instrumente ähnliche Effekte zu haben, nämlich dass Personen und Positionen in den Hintergrund gedrängt werden, die bisher im Zentrum der Debatte standen; doch die im TP zu erfolgende genaue Analyse wird den unterschiedlichen deontologischen Status der verschiedenen Maßnahmen offenlegen.