Barbara Löhde mit Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie ausgezeichnet
Die Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA) hat Frau Dr. Barbara Löhdes Forschungen zum Thema „Cattle Economies and Social Reconfigurations in the Urban Space. Pastoralist and Capitalist Entrepreneurship in Ouagadougou, Burkina Faso“ mit ihrem Dissertationspreis geehrt. Die Preisverleihung fand am Mittwoch, den 1. Oktober 2025 im Rahmen der zweijährlichen Tagung der ethnologischen Fachvereinigung statt.
Auf Grundlage intensiver Feldforschungen in den Jahren 2013-16 befasste sich Barbara Löhde als Mitarbeiterin des Instituts für Ethnologie und des Forschungsprojekts GlobE – Urban FoodPlus mit Bewohnern der Millionenmetropole Ouagadougou in Burkina Faso, die ihre urbane Existenz wirtschaftlich, sozial und kulturell über die Haltung von Rinderherden organisieren. Sie schließt damit an die lange Tradition der wissenschaftlichen Beschäftigung mit nomadischen Tierhaltern, führt diese nun aber in die urbanen und peri-urbanen Räume der Sahelregion. Sie zeigt, dass Tierhaltung in der westafrikanischen Stadt zur Basis eines innovativen Unternehmertums wird, das sich deren spezifischen Potentiale erschließt und dabei nicht nur Einkommen erwirtschaftet, sondern auch zu Ernährungssouveränität und -sicherheit beiträgt.
Barbara Löhde begleitet Fulbe-Pastoralisten in städtische Hinterhöfe, in denen sie Milchkühe halten, und zu den Mossi gehörende Verwaltungsbeamte oder Geschäftsleute zu deren landwirtschaftlichen Betrieben am Stadtrand, wo sie auf kapitalintensive Stallhaltung setzen. Ihre Studie analysiert auf Grundlage minutiöser Langzeitbeobachtungen und ausführlicher Gespräche, wie sich städtische Marktmechanismen tief in soziale Strukturen, Arbeitsverhältnisse und Geschlechterrollen einschreiben. Sie liefert neue Erkenntnisse zur Vielfalt westafrikanischer Tierhaltungssysteme und ihrer Anpassungsstrategien; denn Klimawandel, zurückgehende Ressourcen in den Savannengebieten und fortschreitende Urbanisierung verändern das Wissen und die Praxis ehemals nomadischer Bevölkerungsgruppen fortlaufend. Dabei wird deutlich, wie stark soziokulturelle Normen einerseits ökonomische Veränderungen prägen, wie andererseits aber die Bedingungen und Möglichkeiten des urbanen Raumes zur Ausbildung neuer Formen von Wertschöpfung, sozialer Verhältnisse und kultureller Identitäten führen.
Mit ihrem Fokus Tierhaltung, Urbanisierung, Ethnizität, Unternehmertum und Geschlechterrollen leistet Barbara Löhde einen bedeutenden Beitrag zu aktuellen wissenschaftlichen Debatten und zeigt zugleich, wie ethnologische Forschung dazu beitragen kann, sozioökonomische Veränderungen in Zeiten von Klimawandel und Ernährungskrisen verständlich zu machen. Die Forschung liefert wichtige Einsichten in mögliche Entwicklungsrichtungen der westafrikanischen Tierhaltung im 21. Jahrhundert und betont die Relevanz innovativen Unternehmertums sowie urbaner Räume für Fragen der Ernährungssouveränität und Ernährungssicherheit.
Barbara Löhdes Arbeit erscheint Open Access in der Göttinger Reihe zur Ethnologie (Link) im Universitätsverlag Göttingen.
