Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker (1962). Drama
Inhalt
Friedrich Dürrenmatts Drama Die Physiker (1962) spielt in einer Irrenanstalt mit dem Namen Les Cerisiers. Hier leben drei Männer, die sich als Physiker ausgeben – oder tatsächlich welche sind. Einer hält sich für Newton, der andere für Einstein. Der dritte, Johann Wilhelm Möbius, behauptet, von König Salomo Visionen zu empfangen. Doch bald zeigt sich, dass alle drei bei klarem Verstand sind und nur zum Schein wahnsinnig. Hierbei verfolgt jeder ein eigenes Ziel. Während sich Einstein und Newton als Agenten konkurrierender Geheimdienste entpuppen, hat Möbius sich selbst in die Anstalt zurückgezogen, um seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen vor der Welt zu verbergen. Er glaubt, die Menschheit sei nicht reif für die Konsequenzen seiner „Weltformel“, die unbegrenzte Macht in die Hände derjenigen legen könnte, die sie anwenden. Die scheinbare Lösung des moralischen Dilemmas, Wissenschaftsrückzug als Selbstschutz, geht nicht auf, als sich die vermeintlich fürsorgliche Chefärztin Dr. Mathilde von Zahnd als wahres Problem offenbart: Sie hat Möbius’ Aufzeichnungen längst kopiert und strebt selbst nach globaler Herrschaft.
Einordnung
Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) war ein Schweizer Schriftsteller, Dramatiker und Essayist. Er zählt zu den wichtigsten Theaterautoren des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Die Physiker wurde 1962 uraufgeführt und gehört zu seinen bekanntesten Stücken.
Das Drama entstand in der Zeit des Kalten Krieges, in der die atomare Aufrüstung und die Rolle der Wissenschaft viel diskutiert wurden. Dabei reagiert Dürrenmatt mit seinem Stück auf die Frage nach der ethischen Verantwortung des Wissenschaftlers in einer Welt, in der theoretische Erkenntnis in potenziell katastrophale Praxis umgesetzt werden kann. Er selbst bezeichnete das Werk als „Komödie“, verband aber komische Elemente mit ernsten Themen. Typisch für ihn ist dabei das Spiel mit Groteske, Übertreibung und überraschenden Wendungen.
Die Physiker wird bis heute an vielen Theatern gespielt und in Schulen gelesen. Es gilt als Klassiker der Nachkriegsliteratur und zeigt exemplarisch Dürrenmatts Stil, in dem Humor und Ernsthaftigkeit eng verbunden sind.
Literaturangaben
- Weber, Ulrich / Andreas Mauz / Martin Stingelin (Hg.): Dürrenmatt-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: Metzler 2020.
Ausgaben
- Dürrenmatt, Friedrich: Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten. In: F. D.: Werkausgabe in 30 Bänden. Bd. 7. Zürich: Verlag der Arche 1980. (SDP-Bibliothek, Signatur X-DU 20 1/2:7)
- Dürrenmatt, Friedrich: Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten. In: F. D.: Gesammelte Werke in 7 Bänden. Bd. 2: Stücke. Zürich: Diogenes 1991. (SDP-Bibliothek, Signatur X-Dü 0.1:2 Ausleihbibl.)
Weiterführende Literatur / Ressourcen
- Diogenes Verlag über Friedrich Dürrenmatt
- Weber, Ulrich: Friedrich Dürrenmatt: Eine Biographie. Zürich: Diogenes 2020.
- Weber, Ulrich / Andreas Mauz / Martin Stingelin (Hg.): Dürrenmatt-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: Metzler 2020.
Lesedauer
- individuelle Lesezeit: ca. 90 Minuten
Leseprobe
„INSPEKTOR:
Kann ich nun den Mörder –
OBERSCHWESTER:
Bitte, Herr Inspektor.
INSPEKTOR:
– den Täter sehen?
OBERSCHWESTER:
Er geigt.
INSPEKTOR:
Was heißt: Er geigt?
OBERSCHWESTER:
Sie hören es ja.
INSPEKTOR:
Dann soll er bitte aufhören. Da die Oberschwester nicht reagiert Ich habe ihn zu vernehmen.
OBERSCHWESTER:
Geht nicht.
INSPEKTOR:
Warum geht es nicht?
OBERSCHWESTER:
Das können wir ärztlich nicht zulassen. Herr Ernesti muß jetzt geigen.
INSPEKTOR:
Der Kerl hat schließlich eine Krankenschwester erdrosselt!
OBERSCHWESTER:
Herr Inspektor. Es handelt sich nicht um einen Kerl, sondern um einen kranken Menschen, der sich beruhigen muß. Und weil er sich für Einstein hält, beruhigt er sich nur, wenn er geigt.
INSPEKTOR:
Bin ich eigentlich verrückt?
OBERSCHWESTER:
Nein.“
(Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten. Neufassung 1980. Zürich: Diogenes 1998, S. 16f.; Leseprobe des Diogenes Verlags)
Was finde ich an dem Text interessant?
Die Physiker ist ein faszinierendes Drama, weil es auf interessante Weise Humor, Spannung und tiefgründige Fragen vereint. Es geht um die Verantwortung von Wissenschaftlern für ihre Entdeckungen und wirft ethische Dilemmas auf, die bis heute aktuell sind. Die Handlung in der Irrenanstalt ist voller überraschender Wendungen, die Figuren wirken gleichzeitig komisch, tragisch und geheimnisvoll, und die verwendete Sprache macht das Stück sowohl unterhaltsam als auch nachdenklich. Man lacht über die Absurditäten und bleibt mit Fragen über Verantwortung, Macht und Moral zurück.
Laura Schuldt (M.Edu.-Studierende)