Wilhelm Busch: Max und Moritz (1865). Bildergeschichte
Inhalt
Wilhelm Buschs Bildergeschichte Max und Moritz – Eine Bubengeschichte in sieben Streichen erschien 1865 und gilt als frühes Meisterwerk der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur, wobei sie durchaus nicht nur für Kinder gedacht war. Die beiden titelgebenden Figuren Max und Moritz stiften in sieben Streichen Unruhe in ihrem Dorf, wobei ihre Streiche zunehmend drastischer und bösartiger ausfallen: Sie lassen die Pfeife des Lehrer Lämpel explodieren, sägen eine Brücke unter dem Schneider Böck an oder locken Onkel Fritz in eine Falle. Die Gewalt bleibt dabei nicht symbolisch, sondern wird oft real und drastisch dargestellt, was bei der Veröffentlichung für Aufsehen sorgte. Am Ende wendet sich das Blatt: Max und Moritz werden von einem Müller gefasst, in der Mühle zermalmt und von Enten gefressen. Die Dorfbewohner reagieren mit Erleichterung.
Die Geschichte ist in Knittelversen geschrieben und wird von Illustrationen begleitet. Das Zusammenspiel von Text und Bild erzeugt einen sarkastischen, schwarzen Humor, der die vermeintliche Moralerzählung als ambivalente Satire kenntlich macht.
Einordnung
Wilhelm Busch (1832–1908) war einer der einflussreichsten deutschsprachigen Karikaturisten und Dichter des 19. Jahrhunderts. Max und Moritz markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des europäischen Comics und gilt als Vorläufer des modernen Comicstrips. Busch verbindet volkstümliche Erzähltraditionen – etwa die Schwankliteratur oder Moritaten – mit einer scharfsinnigen Beobachtung sozialer Konventionen und menschlicher Schwächen. Die Texte sind formal einfach, dabei aber hochreflektiert in ihrer Sprache, Rhythmik und Ironie.
Max und Moritz wird oft als Kinderbuch gelesen, enthält aber auch eine Kritik an Erziehungsnormen, bürgerlicher Moral und Autoritätsstrukturen. Die Strafen, die die Erwachsenen den Jungen zufügen, stehen in keinem Verhältnis zu deren Taten, wodurch die Geschichte trotz ihrer scheinbaren Morallektion zu einem düsteren Ende geführt wird. Die Grausamkeit der Strafe übersteigt die der Streiche.
Busch wird heute als einer der ersten Vertreter eines visuell-literarischen Erzählens gesehen, dessen Einfluss weit über die Kinderliteratur hinausreicht. Seine Arbeiten zeigen eine frühe Form der Kombination aus Text und Bild, die sowohl ästhetisch als auch erzähltheoretisch wegweisend ist.
Literaturangaben
- Diers, Michaela: Wilhelm Busch. Leben und Werk. München: dtv 2008.
- Lotze, Dieter P.: Wilhelm Busch. Leben und Werk. Stuttgart u.a.: Belser Verlag 1982.
Ausgaben
- Busch, Wilhelm: Werke. Bearb. und hg. v. Friedrich Bohne. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hamburg: Standard Verlag 1959ff.
- Busch, Wilhelm: Max und Moritz. Eine Bubengeschichte in 7 Streichen. 144. Aufl. München: Braun und Schneider 1965. (Bibliothek der Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur, Signatur: S 22a 62)
- Busch, Wilhelm: Max und Moritz. Nachwort v. Willi Huntemann. Stuttgart: Reclam 2002. (Reclam 14462)
Weiterführende Literatur / Ressourcen
- Hurrelmann, Bettina: Die lustige Geschichte von den bösen Kindern. Wilhelm Buschs „Max und Moritz“. In: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Hg. v. Bettina Hurrelmann. Frankfurt am Main 1995, S. 46–68.
- Košenina, Alexander: „Kontinuierliche Bildergeschichten“. Mit „Max und Moritz“ überwindet Wilhelm Busch die Grenzen von Malerei und Poesie. In: Zeitschrift für Germanistik 26/2 (2016), S. 386–402.
- Wilhelm-Busch-Gesellschaft
Lesedauer
- 30–40 Minuten (individuelle Lesezeit)
Leseprobe
„[Dritter Streich]
[…]
Alles macht der Meister Böck,
Denn das ist sein Lebenszweck. –
– Drum so hat in der Gemeinde
Jedermann ihn gern zum Freunde. –
– Aber Max und Moritz dachten,
Wie sie ihn verdrießlich machten. –
Nämlich vor des Meisters Hause
Floß ein Wasser mit Gebrause.
Übers Wasser führt ein Steg
Und darüber geht der Weg. –
Max und Moritz, gar nicht träge,
sägen heimlich mit der Säge,
Ritzeratze! voller Tücke,
In die Brücke eine Lücke. –
Als nun diese Tat vorbei,
Hört man plötzlich ein Geschrei:
[…]“
(Zitat: Zeno.org: Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Bd. 1. Hamburg 1959, S. 354f.)
Was finde ich an dem Text interessant?
Max und Moritz sticht aus der Leseliste heraus, da dieser Text für viele in erster Linie eine Kindheitserinnerung ist. Besonders ist daher, wenn man viele Jahre später erneut darauf blickt und erkennt, dass noch so viel mehr darin steckt als eine einfache Geschichte für Kinder. Es ist spannend, wie Wilhelm Busch mit Humor ernste Themen wie Moral und Gerechtigkeit verpackt und mit schönen Illustrationen und dem eingängigen Rhythmus einzigartig und zeitlos macht.
Laura Schuldt (M.Edu.-Studierende)