Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil (1808). Drama
Inhalt
Das Drama wird durch mehrere Texte eingeleitet. Die „Zueignung“ ist der erste Text und thematisiert die Gedanken des Autors beim Verfassen des Dramas. Das „Vorspiel auf dem Theater“ diskutiert den Zweck eines Theaterstücks und im dritten Text, dem „Prolog im Himmel“, geht es um Gott und den Teufel. Mephisto, der den Teufel verkörpert, geht mit Gott eine Wette ein, in der Mephisto beweisen soll, dass er den Protagonisten Faust vom richtigen Weg abbringen kann.
Zu Beginn des Dramas geht es um den Gelehrten Faust, der sich mit dem Sinn des Lebens auseinandersetzt und zu keiner Erkenntnis kommt. Am Ostertag sieht Faust keinen Ausweg mehr und beschließt, Gift einzunehmen, wobei er von den Osterglocken unterbrochen wird. Daraufhin macht er einen Spaziergang, bei dem er einen schwarzen Pudel trifft, den er mit in sein Gelehrtenzimmer nimmt. Dort angekommen bemerkt Faust, dass es sich bei dem Pudel um den Teufel Mephisto handelt. Dieser macht ihm ein Angebot. Mephisto verspricht, Faust zu dienen, und bekommt im Gegenzug seine Seele, wenn er es schafft, Faust einen glücklichen Moment zu verschaffen. Danach gehen Mephisto und Faust in eine Kneipe und zu einer Hexe, die Faust in einen jungen attraktiven Mann verwandelt. Als Faust in den Spiegel schaut, sieht er eine junge Frau namens Margarete, die auch Gretchen genannt wird. Faust bittet Mephisto darum, dass Gretchen seine Geliebte wird. Eigentlich darf Mephisto sich aber nicht in emotionale Beziehungen einmischen. Dennoch gelingt es ihm durch eine List, den Kontakt zu Gretchen aufzubauen, sodass Faust und Gretchen sich verlieben und sich bei einem Treffen im Garten von Gretchens Freundin im Gartenhaus küssen. Nach dem Kuss zieht sich Faust in die Natur zurück und denkt darüber nach, wie dankbar er ist, dass er richtige Gefühle entwickeln konnte. Gleichzeitig wird ihm bewusst, dass er Gretchen mit ihrer Beziehung großen Schaden zufügen kann. Währenddessen befindet sich Gretchen in ihrem Zimmer und denkt über ihre Gefühle zu Faust nach. Sie verabredet sich erneut mit Faust im Garten und stellt ihm die Frage, wie sein Verhältnis zur Religion ist (‚Gretchenfrage‘). Als Gretchen am Brunnen eine Geschichte über eine Frau mit einem unehelichen Kind hört, befürchtet sie, dass ihr so etwas auch passieren könnte, und bittet daher die heilige Maria, sie vor diesem Schicksal zu bewahren.
Als Gretchens Bruder Valentin von der Beziehung zwischen seiner Schwester und Faust erfährt, fordert er ihn zu einem Duell heraus. Durch Mephistos Unterstützung gewinnt Faust das Duell, indem er Valentin ersticht. Nach dem Duell verlässt Faust mit Mephisto die Stadt. Als Gretchen, von Faust zurückgelassen, im Dom von einem bösen Geist aufgesucht wird, wirft der ihr vor, sie sei verantwortlich für den Tod ihres Bruders. Zur gleichen Zeit gehen Mephisto und Faust in der Walpurgisnacht auf den Blocksberg zum Hexentanz, bei dem Faust eine Hexe trifft, die Gretchen ähnelt. Dort schauen Faust und Mephisto sich ein Theaterstück an.
Zurückgelassen verzweifelt Gretchen und ertränkt im Zustand geistiger Verwirrung ihr Neugeborenes, weshalb sie hingerichtet werden soll. Als Faust von Gretchens Zustand erfährt, macht er sich auf den Weg zu ihr, um sie zu retten. Im Kerker angekommen, versucht er, Gretchen zur Flucht zu überreden. Sie geht jedoch nicht auf ihn ein, sondern übergibt sich dem Gericht Gottes. Daher fliehen Faust und Mephisto und lassen Gretchen im Kerker zurück. Am Ende legt eine „Stimme von oben“ nahe, dass Gretchen von ihren Sünden erlöst wird.
Einordnung
Goethes Faust. Eine Tragödie wurde im April 1806 nach 35 Jahren Arbeit abgeschlossen. Trotz zahlreicher Unterbrechungen und Schreibkrisen gelang Goethe die Fertigstellung seines Werks. Dennoch erfolgte die Erstveröffentlichung, aufgrund der französischen Besatzung, erst im Jahr 1808. Die schwierige Entstehung des Faust erklärt sich aus dem engen Zusammenhang zwischen Goethes Werk- und Lebensgeschichte. Der Inhalt des Werks war biografisch stark aufgeladen, sodass der Dichter kein planmäßiges Konzept verfolgen konnte. Neue Erlebnisse und Erkenntnisse wurden fortlaufend in das bestehende Material integriert, wodurch sich ein einheitlicher Entwurf immer wieder auflöste (vgl. Witte et al., S. 352). Einen Bezugspunkt für das Drama bildet der zeitgenössische Prozess gegen die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt, einen weiteren wichtigen Kontext bilden Teufelssagen, mit denen Goethe schon im Kindesalter in Kontakt kam. Mit dem traditionsreichen „Fauststoff“ machte ihn vermutlich ein Puppentheater 1753 bekannt. Der Stoff geht auf historische Berichte über den Gelehrten und Alchimisten Johann Georg Faust zurück, der durch vermeintliche Magie berühmt wurde und bald zur Figur zahlreicher Legenden avancierte. Als Goethes wichtigste Quelle gilt das Volksbuch von Johann Spies, das im Sinne lutherischer Moral den Teufelspakt als warnendes Beispiel deutete (vgl. ebd.).
Literaturangaben
- Witte, Bernd / Theo Buck / Hans-Dietrich Dahnke / Regine Otto / Peter Schmidt (Hg.): Goethe-Handbuch. Bd. 2: Dramen. Stuttgart 1997.
Ausgaben
- Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Historisch-kritische Edition. Hg. v. Anne Bohnenkamp, Silke Henke und Fotis Jannidis. Bd. 1. Göttingen: Wallstein Verlag 2018. (SDP-Bibliothek, Signatur: TG-1 6/125:1)
- Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Texte. Hg. v. Albrecht Schöne. Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 1994. 5., durchges. und erg. Aufl. Frankfurt a.M.: Insel Verlag 2003. (SDP-Bibliothek, Signatur: TG-1 6/121:1)
- Goethe, Johann Wolfgang: Faust I. Reclam-Studienausgabe. Stuttgart: Reclam 1986.
Weiterführende Literatur / Ressourcen
- Safranski, Rüdiger: Goethe. Kunstwerk des Lebens. Biographie. München 2013.
- Boyle, Nicholas: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. München 1995.
- Gaier, Ulrich (Hg.): Faust-Dichtungen. 3 Bde. Stuttgart 1999.
Lesedauer
- Seitenzahl: ca. 170 Seiten
- individuelle Lesezeit: 7 Stunden
Leseprobe
„Prolog im Himmel.
Der Herr. Die himmlischen Heerscharen.
Nachher Mephistopheles.
Die drei Erzengel treten vor.
RAPHAEL.
Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
GABRIEL.
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer, schauervoller Nacht;
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
Am tiefen Grund der Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen
In ewig schnellem Sphärenlauf.“
(Zitat: TextGrid Repository (2012). Johann Wolfgang v. Goethe: Faust. Eine Tragödie. TextGrid Digitale Bibliothek)
Was finde ich an dem Text interessant?
Für mich ist die Vielschichtigkeit der Figur Faust zwischen Erkenntnisdrang, Zweifel und Schuld besonders interessant.
Nele Ellmer (M.Edu.-Studierende)